Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
auf ihr Glück vertrauen, auf den Glücksdrachen, der in ihrem Herzen wohnte!
»Gut. Packen wir’s an!«
Die beiden Erwachsenen standen in der Tür, als Arthur die Taschenlampe seines Großonkels am Gürtel befestigte und aufs Rad stieg. Josie, ausstaffiert mit den Gaben der Hausgeister, schwang sich auf ihr altes Vehikel und folgte ihrem Gefährten, der ohne weiteren Gruß einfach losradelte. Sie hatten sich bereits verabschiedet. Und jetzt gab es nichts, was noch gesagt werden musste. Auch Wolf lief los, sich dicht an ihrer Seite haltend. Ehe sie am Ende der Auffahrt abbog, blickte Josie noch einmal zurück. Hell erleuchtet stand Springwood Manor gegen die Finsternis. Wie unwirklich anheimelnd in dieser Nacht der Gefahren! Der Professor hatte tröstend den Arm um ihre Großmutter gelegt. Stumm hob Moma die Hand. Josie winkte beklommen zurück.
Dann wandte sie sich nach vorn und trat kraftvoll in die Pedale.
4
Dorchadon
Der Eingang bin ich zu der Stadt der Schmerzen.
Der Eingang bin ich zu den ew’gen Qualen.
Der Eingang bin ich zum verlor’nen Volke …
In dunkler Farbe sah ich diese Zeilen,
als einer Pforte Inschrift.
aus: Die göttliche Komödie von
DANTE ALIGHIERI
(1265–1321), ital. Dichter
Schweigend fuhren sie auf der Landstraße hintereinander her. Die Wiesen dufteten nach Champignons, feucht und würzig. Graublaue Wolkengaze verschleierte den Mond wie das bleiche Gesicht einer geheimnisvollen Dame. Sein milchig weißes Licht ließ kaum mehr als Umrisse erkennen. Schafe blökten irgendwo in der Nähe. An einem Weiher zerriss ein wenig musikalisches Froschkonzert die nächtliche Stille. Aus der Ferne fraß sich ein Ruf in Josies Ohr: »Kuwitt, kuwitt!« Sie fröstelte. Ein Käuzchen! Der Totenvogel! Es hörte sich tatsächlich an wie: Komm mit, komm mit!
»Ein alter Aberglaube!«, vernahm Josie Wolfs Stimme. »Nichts als ein dummer Aberglaube! Wir haben andre Sorgen.«
Überrascht blickte sie auf den grauen Schatten, der neben ihr herlief. »Mann! – Ich fang deine Gedanken wieder auf? Ganz ohne die Fibel.«
»Diese Nacht ist ganz und gar durchdrungen von Magie«, gab Wolf zurück.
Die Straße führte langsam, aber stetig bergan. Nach etwa einer Viertelstunde bog Arthur in einen von Büschen gesäumten Feldweg ein, der von Meter zu Meter steiler wurde. Josie musste nun mit aller Kraft treten, um ihn nicht zu verlieren. Arthur schien heute zu sehr mit sich beschäftigt, um auf sie Rücksicht zu nehmen. Dann stand wie aus dem Boden gestampft ein grimmiges Heer von Bäumen vor ihnen. Feindselig und drohend.
Josies Entschlossenheit schrumpfte wie ein Ballon, aus dem die Luft entwich. Man musste definitiv verrückt sein, auch nur einen Fuß in diesen finsteren Wald zu setzen.
»A…Arthur!« Ihr keuchender Ruf erreichte den Jungen, als er eben in die Dunkelheit des Forstes eintauchte. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass sie kaum nachkam. Er stoppte.
»Komm! Nur noch ein paar Hundert Meter, das letzte Stück müssen wir zu Fuß gehen.«
Josie strampelte ihm völlig außer Atem nach. Verdammt! Arthur war so viel mutiger als sie. Beschämt würgte sie ihre Ängste hinunter. An Umkehr war jetzt wirklich nicht mehr zu denken!
Das Fahren wurde nun deutlich beschwerlicher, denn auf dem regendurchweichten Waldboden ging es weiter bergauf. Wurzeln wurden zu gefährlichen Stolperfallen. Josie hatte Mühe, ihr uraltes Stahlross zu steuern. Das Licht der Fahrradscheinwerfer sprang Irrlichtern gleich auf und nieder. Was rechts und links von ihnen lag, ließ sich nur erahnen. Doch spürte sie deutlich, dass der Weg enger wurde. Zweige zerkratzen ihre Arme. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sie sich voran. Dann verließen sie die Kräfte. Stöhnend sprang sie ab, um das Rad zu schieben. Sie drehte sich unsicher nach Wolf um. »Bist du noch da?«
»Aber ja«, meldete sich der große Hund. »Ich fürchte, dies ist nur der Beginn der Unannehmlichkeiten, die uns erwarten.«
Das Mondlicht versickerte nun fast völlig im dichten Blattwerk. Arthur quälte sich, eisern in die Pedale tretend, langsam vor ihnen her, nur das flackernde Licht seiner Fahrradlampe gab ihnen vage Orientierung. Ein Röcheln ließ sie wie erstarrt stehen bleiben. Dann wurde ihr schlagartig bewusst, dass es von Wolf stammte, dem die Steigung zu schaffen machte. Verdammt!, dachte sie. Hoffentlich wird das alles nicht zu viel für ihn!
Wolf blieb schwer atmend stehen. »Keine Sorge, nur der
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