Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Fesseln verwickelte. In Josies Ohren rauschte das Blut. Sie presste die Lippen zusammen. Sie musste versuchen, klaren Kopf zu bewahren! Sie blickte zu Arthur, dem es inzwischen gelungen war, das kleine Schwert aus der Scheide zu ziehen. Der herzförmige Kristall des Knaufs glühte und sprühte Purpurfunken, wie Josie es von der Zauberfibel kannte. Doch was nützte ihnen das? Sicher, Arthur konnte das Netz durchschneiden, doch dann würden sie gut verschnürt in den Abgrund stürzen. Das war wohl kaum die Lösung.
Wolf wehrte sich unterdessen mit nachlassenden Kräften gegen die neckenden Angriffe Damhánallas, die sich einen Spaß daraus machte, ihn mit ihren Giftklauen mal hier, mal da zu zupfen.
Als wolle er auf sich aufmerksam machen, spürte Josie den Fingerhut an ihrem Daumen. Der Fingerhut! Urplötzlich, geradezu aus dem Nichts, kam ihr die rettende Eingebung. Mit aller Vorsicht streifte sie ihn in die Handfläche und steckte den Mittelfinger hinein – einhändig, angesichts ihrer Nervosität ein gefährliches Experiment. Entglitt ihr Rosalindes Zaubergabe, war sie für immer verloren. Mit pulsierender Stirnader imaginierte Josie ein Bild. Nur einen Augenblick später fand sie sich in einer schimmernden Ritterrüstung wieder, die lediglich Hände und Gesicht unbedeckt ließ.
»Halt durch!«, rief sie Wolf zu, und zerriss mit einigen heftigen Bewegungen die Spinnenfäden, die an der geölten Rüstung keinen Halt mehr fanden. Erleichtert, dass ihre Rechnung aufgegangen war, rappelte sie sich in dem schwankenden Netz auf.
Einige von Damhánallas blau blitzenden Augen verfolgten beiläufig, was vor sich ging, doch fühlte sich das Ungeheuer anscheinend so überlegen, dass es sein Spiel mit dem hilflos strampelnden Wolf nicht unterbrach. Es schien ihm ebenso viel Spaß zu bereiten wie einer Katze das Spiel mit der zappelnden Maus.
Sich auf dem schaukelnden Untergrund nur mühsam aufrechthaltend, beugte sich Josie zu Arthur hinunter, der wie ein Kokon im Netz hing und sie überrascht anstarrte. Während sie im zuflüsterte, was er zu tun hatte, steckte Josie ihm den Fingerhut auf den Mittelfinger. Arthur schloss die Augen, um sich besser konzentrieren zu können. Und wie Rosalinde es versprochen hatte, wirkte der Zauber auch bei ihm. Nur einen Herzschlag später war auch er mit einer glänzenden Rüstung bewehrt. Wenngleich behindert durch das sperrige Kleidungsstück, doch voller Entschlossenheit, schwankte Arthur wie ein unbeholfener Roboter auf die Monsterspinne zu.
Damhánalla ließ, mit einem unwilligen Knirschen ihrer Giftklauen, von Wolf ab und funkelte Arthur achtfach an. »Nun, mein Kleiner, komm heran, damit ich dich belecken kann!« Ihre Stimme schlängelte sich wie eine Natter in die Ohren der Gefährten.
Arthur nahm sie beim Wort und trat ihr entgegen. Josie beobachtete mit flatterndem Herzen, wie er der Spinne, gleich einem Hundetrainer, der einen bissigen Köter abwehrt, den Arm bot. Blitzschnell schlug die Bestie ihre Giftwerkzeuge hinein. Ein gellender Jammerlaut, dessen hohe Frequenz Josie fast das Trommelfell sprengte, schrillte tausendfach von den Höhlenwänden zurück. Splitter von gebrochenem Horn schossen aus Damhánallas Maul. Die Spinne hatte sich an dem Metall der Rüstung die Gifthauer ausgebissen. Verrückt vor Schmerz riss sie den Kopf zurück.
Arthur nutzte den Augenblick. Er hob das Schwert und brüllte ihr entgegen: »Du Unglückstier aus schlechten Träumen, nun werd ich aus dem Weg dich räumen!«
Josie verfolgte atemlos, wie die Waffe in seiner Hand sich augenblicklich zu einem beachtlichen Schwert streckte, das zielsicher und wie von selbst eines der borstigen Spinnenbeine vom Leib trennte. Damhánalla zischte wie ein Geysir, bäumte sich auf und stürzte sich außer sich vor Schmerzen auf ihren Peiniger. Arthur, der ihr auf dem schwankenden Untergrund nicht mehr ausweichen konnte, umklammerte mit beiden Händen das Schwert, dessen Klinge jetzt purpurrot glühte. Mit der ganzen Wucht ihres Körpers ließ sich die Spinne auf ihren Gegner fallen. Ein grässlicher Laut, dem ein stoßartiges Stöhnen folgte, hallte grausig von den Höhlenwänden wieder. Dann war es ruhig. Grauenhaft ruhig.
Josies Puls hämmerte.
»Arthur?«, sagte sie bang.
»ARTHUR!« Rasend vor Angst schrie sie seinen Namen, der hämisch von den Höhlenwänden zurückhallte. Arthur jedoch antwortete nicht. Josie wurde schwindlig. Im Augenblick ihrer größten Verzweiflung bemerkte sie etwas
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