Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

an ihr festhielt, als säßen sie auf einem Motorrad.
    Das Netz überspannte tatsächlich die gesamte Höhle, doch wurde es erst zur Mitte hin engmaschiger, während sich von den Seitenwänden nur vereinzelte Haltefäden zum Zentrum zogen. Von oben sah es aus wie das überdimensionale Netz einer gewöhnlichen Hausspinne.
    »Jetzt haltet euch gut fest!«, übermittelte ihnen Wolf und setzte zum Sturzflug an. Mit angelegten Flügeln stieß er durch eine Lücke zwischen zwei Spannfäden nach unten. Josies Magen sprang einen Salto, kurz darauf schleiften ihre Füße über den Höhlenboden. Während sie und Arthur die Beine wegspreizten, kam Wolf einige Meter später zum Stehen.
    Arthur sprang ab. »Gar nicht übel für einen alten Hund!«
    Josie kletterte, noch immer kreidebleich, von Wolfs Rücken. »Ohne die Flugsalbe wären wir da oben verschimmelt.«
    »Nun«, meldete sich Wolf, »dass Conall sich mit Alchemie beschäftigt hat, hat zumindest diesen Vorteil.«
    Josie kniff die Augen zusammen. Das Restlicht aus Damhánallas Augen spiegelte sich an den feuchten Wänden, sodass man trotz der schlechten Beleuchtung die ungeheure Größe der Höhle erahnen konnte, deren unregelmäßig geschwungenen, jedoch glatten Felsformationen einen natürlichen Ursprung vermuten ließen.
    »Hier muss ein unterirdischer See gewesen sein, womit erklärt wäre, woraus der Brunnen einstmals sein Wasser bezogen hat«, bemerkte Wolf. »Und seht nur, der Boden ist noch heute von Rinnsalen durchzogen.«
    Arthur blickte sich um. »Irgendwoher muss das Wasser ja kommen. Wir sollten die Wände absuchen, vielleicht finden wir so einen Ausgang. Kommt!« Mit einer Handbewegung forderte er seine Gefährten auf, ihm zu folgen.
    Dass der Untergrund noch sehr feucht und mit Rinnsalen durchwebt war, machte sich bald unangenehm in durchweichten Schuhen und Socken bemerkbar. Um mehr zu erkennen, nahm Arthur nun doch die Taschenlampe zu Hilfe, denn das Augenlicht der Spinne flackerte nur noch. Jetzt sahen sie, woher das Wasser kam. Es sickerte aus kleinen Öffnungen in den Gesteinswänden rundum, doch war nirgends ein Gang zu entdecken, der Hoffnung auf einen Fluchtweg machte. Josie zerbrach sich den Kopf, wie die Riesenspinne wohl in diese abgeschlossene Höhle gekommen war. Hatte sie jemals etwas anderes als dieses feuchte Loch gesehen? Für einen Moment tat ihr das scheußliche Untier fast leid.
    »Mitleid«, meldete sich Wolf, »ist eine Anwandlung, die man sich im Reich der Finsternis besser nicht leisten sollte. Solcherlei Empfindungen sind hier nicht sehr verbreitet. In Dorchadon sind vielmehr Misstrauen und Entschlossenheit gefragt.«
    Sie hatten die Höhle beinahe schon umrundet, als der Lichtkegel der Taschenlampe in einen mannshohen Schlitz kroch, der wie eine schwarze Wunde in der Felswand klaffte.
    Arthur leuchtete hinein. »Soweit ich sehen kann, geht der Riss tief durchs Gestein.« Er maß den Spalt mit dem Arm aus und drehte sich dann um. »Vielleicht ein halber Meter. – Was meint ihr?«
    Josie biss sich auf die Unterlippe und zuckte unsicher mit den Schultern.
    »Da es uns an Alternativen mangelt, bleibt uns wohl nichts andres übrig«, bemerkte Wolf. »Doch sollte ich mich vorher noch der Flügel entledigen – da sie wohl kaum durch diese Gasse passen.«
    Während Arthur sich schon in den engen Gang quetschte, suchte Wolf sein Gedächtnis nach dem nötigen magischen Spruch ab. »Vermaledeit, er war ganz ähnlich«, drangen seine Gedanken zu Josie durch. »Pinnae cres… Nein – Pinnae decrescite!« Augenblicklich schrumpften die Flügel zusammen und Wolf sah wieder aus wie ein ganz gewöhnlicher Irish Wolfhound. »Nun komm!« Er schubste Josie mit der Schnauze. »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!«
     
    Der Gang erwies sich, wie Josie schon befürchtet hatte, als beklemmend schmal. Die feuchte Kälte des Gesteins kroch mitleidlos durch ihre Kleider. Bibbernd und so gut wie blind, da die dunkle Enge den Schein der Lampe nahezu verschluckte, arbeitete sie sich hinter Arthur voran, wobei sie sich an der schroffen Oberfläche der Wände die Hände aufschürfte. Nach einigen Minuten weitete sich der Gang zwar, verlor aber an Höhe, sodass Arthur und sie nur noch gebeugt vorankamen.
    Plötzlich jaulte Wolf auf. Josie wirbelte erschrocken herum, und schlug sich dabei heftig den Kopf an. Jäh fühlte sie einen scharfen Schmerz am Bein. Ein scheußlicher Gedanke durchzuckte sie. Ratten! Sie stieß einen Schrei des Ekels aus und trat wie