Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
es wohl tausend Mal gesucht, aber nie gefunden.«
»Was kein Schaden ist«, erwiderte Wolf. »Es ist kein guter Ort. Es gibt da eine Sage …«
»Ich weiß«, sagte Arthur. »Ich kenne sie.«
Josie, die neben ihm ging, sah ihn fragend an. »Was für eine Sage?«
»Eine der typischen Teufelssagen«, antwortete Arthur. »Es heißt, dass aus irgendwelchen Gründen der Brunnen des Klosters immer wieder einstürzte. Da versprach der Teufel dem Abt, einen Brunnenschacht zu bauen, der bis in die Ewigkeit halten würde, vorausgesetzt, er bekäme die Seele desjenigen, der als Erster am Sonntag Wasser holt.«
»Richtig«, bestätigte Wolf. »Am Tag des Herrn war es damals streng verboten, zu arbeiten, und dazu gehörte auch das Wasserholen.«
Josie schauderte. Wenn sie etwas jetzt nicht brauchen konnte, waren es Gruselgeschichten. »Mach’s kurz!«, sagte sie nervös.
»Also«, fuhr Wolf fort, »der Abt ließ einen mehrfachen Mörder, der im Turm zu Galbridge auf den Galgen wartete, zum Kloster bringen, steckte ihn in ein Mönchsgewand und befahl ihm, den Eimer in den Brunnen zu lassen. Der Teufel stürzte sich auf sein Opfer und zog es in die Tiefe, natürlich in der Annahme, einen jungen Klosterbruder reinen Herzens ergattert zu haben. Als er feststellte, dass man ihn mit der schwarzen Seele eines Galgenvogels betrogen hatte, die ihm ohnehin schon gehörte, geriet er außer sich vor Wut. Noch in derselben Nacht soll er das Kloster mit Mann und Maus zerstört haben. Einzig der Brunnen blieb intakt – der war schließlich Teufelswerk und für die Ewigkeit gebaut.«
»Uff«, stieß Josie mit einem Blick auf die Ruine aus, die finster und bedrohlich vor ihnen lag. »Nicht grade ein Platz, den man bei Nacht besuchen möchte.«
Josie verspürte den starken Impuls, Arthurs Hand zu ergreifen. Da sie sich aber nicht traute, hielt sie sich so dicht wie möglich an Wolf. Wenige Schritte später hielten sie vor einem verfallenen Tor, dessen ehemalige Pracht man an den Bruchstücken verschlungener Ornamente noch immer erahnen konnte.
Elvinia und ihre Elfen landeten auf dem brüchigen Mauerwerk. In den Efeugirlanden, die das alte Gestein umrankten, hätte man sie, unter weniger beunruhigenden Umständen, für die blinkende Lichterkette einer Weihnachtsdekoration halten können. Dann erklang Elvinias glockenhelles Stimmchen: »Bis hierher reicht unsre Eskorte, wir dürfen nicht mehr weitergeh’n. Was hinter dieser düstren Pforte, müsst Ihr ganz allein besteh’n. Möge das Gute und das Lichte getragen werden in die Nacht. Dass sich verwandelt die Geschichte durch Euer menschlich Wirken Macht.«
Damit wirbelte die kleine Meisterin des Waldes hoch, und ihr Schwarm folgte ihr. Wie das flüchtige Blitzgewitter eines Feuerwerks erlosch das Licht ihrer Fühler in der Dunkelheit.
Die drei Gefährten blickten ihnen ahnungsvoll nach, bis Druid Dubh, sie, nun wieder in der Gestalt des Vogelmanns, anrief: »Wohlan, es ist nur noch ein Stück. Geht strikt voran, seht nicht zurück!« Und schon schwebte er, den schwarz glänzenden Gefiedermantel weit ausgebreitet, durch das Tor.
Mit klopfendem Herzen folgte Josie Arthur, der die kleine Gruppe anführte. Fröstelnd stellte sie fest, dass sie sich auf dem ehemaligen Friedhof der Mönche befanden. Überall ragten steinerne Kreuze, oder das, was davon übrig geblieben war, aus dem Boden. Bei den meisten fehlte ein Stück, sodass man die Kreuzform nur noch erahnen konnte. Aufgeworfene Grabplatten, über und über mit Efeu und Gestrüpp überwachsen, lagen wild durcheinander, als hätte ein Riese eine Schachtel mit Dominosteinen ausgeschüttet.
»Efeu, Goldregen, Buchs«, zählte Wolf düster auf. »Liguster, Tollkirsche, Eiben. Die Giftküche der Natur. In der Tat – hier wächst alles, was zum Morden taugt.«
Erst jetzt bemerkte auch Josie, dass sich die Vegetation völlig verändert hatte, seit sie durch das Tor getreten waren. Düstere Eiben standen gegen einen bläulich kalten Mond, der Eiseskälte zu verbreiten schien. Josie zog ihre Jacke enger um sich. Die schwarzen Bäume kamen ihr mit einem Mal vor wie die grausamen Mönche eines teuflischen Ordens.
Nachdem sie den Friedhof endlich überquert hatten, ragten vor ihnen die Reste der Klosterkirche auf. Trümmer wechselten mit erhaltenen Mauerstücken. Frostblaue Mondstrahlen schienen durch eine Steinrosette und malten ein geisterhaftes Muster auf die zerbrochenen Steinplatten des ehemaligen Sakralraums.
Ein Schatten jagte
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