Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Schuhe drangen durch die angelehnte Tür, als Josie auf der letzten Stufe stehen blieb und in den Raum spähte. Alle Bilder und Vorstellungen, die sie sich je von einer Hexenküche gemacht hatte, schienen hier zum Leben erstanden. Über einer blau züngelnden Feuerstelle hing an einem verrußten Eisengestell ein kolossaler Kessel, in dem eine zähe Masse brodelte.
    Gewaltige Dampfwolken stiegen auf. Josie kniff sich die Nase zu. Himmel, das Zeug stank ja zum Weglaufen! Jedenfalls war es hier, aufgrund der zahlreichen Fackeln, wenigstens hell genug, dass sie trotz Brille etwas erkennen konnte. An zwei langen Tischen wurde eifrig hantiert. An Personal schien es auf Arcatrox jedenfalls nicht zu mangeln. Eine riesige Schar Spriggans stand im Dienst der Bandraoi. Josie erkannte sie an ihren hervorstehenden Stirnen und den sechsfingrigen Händen. Alle arbeiteten, als ginge es um ihr Leben.
    Auch Tweedledee und Tweedledum waren da. Bewehrt mit zwei Eisenspießen stolzierten sie herum und trieben die Spriggans an, indem sie mal diesen, mal jenen ins Gesäß stachen.
    Tweedledee und Tweedledum …, dachte Josie. Und plötzlich erinnerte sie sich, woher sie diese eigenartigen Namen kannte. Aus Alice hinter den Spiegeln , einem Buch, das sie vor ein paar Jahren gelesen hatte. Aber wenn sie sich recht erinnerte, waren die zwei ziemlich harmlose Figuren.
    »Durchaus möglich«, kommentierte Wolf ihre überlegungen. »Aber harmlos sind unsere beiden Rotmützen ganz gewiss nicht. Ihre Spezies gilt als durch und durch bösartig. Sie müssen ihre Mützen immer wieder neu mit Blut tränken, um ihre Lebenskraft zu erhalten. Gewöhnlich mit dem Blut frisch Ermordeter. Doch scheint ihnen zur Not auch Schweineblut in Konserven zu genügen.«
    Josie schüttelte sich. Was es nicht alles an Scheußlichkeiten hier gab! Und was für widerliches Zeug die hier zusammenbrauten!
    Zwei Spriggans hackten den Hühnern, die als Ersatz für die kleinen Schrate herhalten mussten, die Köpfe ab, pulten die Augen heraus und sammelten sie in ein Glas, ehe sie den Rest in einen Topf warfen. Andere schnitten Hühnerkrallen in kleine Stücke, während einige Rotmützen damit beschäftigt waren, die leblosen Vogelkörper zu rupfen, um sie danach auf einen langen Bratspieß zu stecken.
    Tweedledee und Tweedledum stelzten durch die Küche und machten sich wichtig. Josie hob die Augenbrauen. Dafür, dass sie vor Kurzem noch höchst kleinlaut an Fleischerhaken gezappelt hatten, führten sie sich jetzt ganz schön aufgeblasen auf. Wolf hatte sicher recht. Unangenehme Charaktere, diese Rotmützen!
    Um sich Gehör zu verschaffen, kletterte Tweedledum nun auf einen Stuhl und warf sich in die Brust. »Sputet euch, ihr faule Meute! Die Gäste trafen bereits ein. Es werden über hundert Leute, das Festmahl muss bald fertig sein.«
    Tweedledee schubste seinen widerstrebenden Kumpel herunter und erklomm dann selbst den Stuhl, um auch seinen Senf dazuzugeben. »Und wer nicht spurt, wird gleich gebraten! Darum seid ihr alle gut beraten, fleißig zu werken und zu schaffen und nicht dumm herumzugaffen!«
    »Siehst du die Bandraoi?«, erkundigte sich Wolf, der hinter Josie stand.
    »Nein«, flüsterte sie. »Tweedledum und Tweedledee scheinen sie zu vertreten. Ich fürchte, die Hexe ist bei Arthur.« Die scharfe Klinge der Angst bohrte sich wieder in ihren Magen.
    »Gib dich nicht deiner Angst hin!« Wolfs dunkle Stimme erinnerte sie daran, dass es jetzt vor allem darauf ankam, Ruhe zu bewahren. »Unsere Verkleidung wird uns schützen! Weder Spriggans noch Rotmützen sind sonderlich helle.«
    »Also dann!« Josie straffte sich und stieß die Tür auf. Einen Schritt weiter standen sie in der dampfenden Hexenküche. Jetzt ging es darum, möglichst unbemerkt den Raum zu passieren. Den Küchenhelfern schien ihr Eindringen gar nicht aufgefallen zu sein, zu sehr waren sie in ihre Arbeit vertieft. Ein übriges tat der Dunst, der alles einnebelte.
    »Wir sollten uns an der Wand entlang zum Ausgang hangeln«, schlug Wolf vor, nachdem er die Lage gesichtet hatte. »Das ist nicht der kürzeste, aber der sicherere Weg.« Damit ging er schon voran.
    Doch schon nach den ersten Metern klackerten bedrohliche Schritte hinter ihnen her. Dann pikte Josie etwas in den Po.
    Sie schnellte herum. Tweedledum blitzte sie heimtückisch an. »Ihr wart wohl in der Speisekammer? – Hattet Ihr wieder Katzenjammer und wolltet drüber Fusel gießen? Ich werd’ den Raub Euch schon vermiesen.«
    Nun