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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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stand die Rettung vor ihr. Ein Bus der Chicago Transit, dessen Türen sich soeben schlossen. Sie hämmerte verzweifelt gegen die schmutzige Tür. Der Fahrer zog die Augenbrauen hoch, öffnete dann aber doch. Josie fiel keuchend in einen freien Sitz. Plötzlich fühlte sie einen scharfen Schmerz in ihrer Rechten. Blut tropfte auf ihre Jeans. Sie öffnete die Faust, die immer noch die Brosche umklammerte, und erschrak. Der scharfe Stachel hatte sich in der Hektik der Flucht tief in ihre Hand gebohrt. Mit einem Ruck zog sie ihn aus dem Fleisch. Während sie die Wunde mit dem Mund aussaugte, traf es sie wie ein Schlag! Das weiße Kristallherz zwischen den Drachenköpfen funkelte. Rot, purpurrot.
    Josie wurde schwindlig. Die Kette magischer Ereignisse zog sich enger und enger um sie. Sie fühlte sich ohnmächtig in etwas hineinkatapultiert, das sie nicht verstand. Ihr war, als vernehme sie tief in ihrem Innersten einen Ruf. Einen Ruf, den sie nicht deuten konnte. Jemand wollte etwas von ihr. Aber wer? Und was?
    Bei der nächsten Haltestelle verließ sie den Bus, ohne vorher ein Ticket gezogen zu haben. Sie war noch nie schwarzgefahren. Hätte ihr das an jedem anderen Tag schwere Gewissensbisse gemacht, dachte sie jetzt nicht eine Sekunde darüber nach.
    Wie benebelt fand sie sich ganz in der Nähe des Sees wieder. Ohne nach links oder rechts zu blicken, ging Josie durch eine kleine Anlage zum Ufer. Die kühle Brise vom Wasser her tat gut. Der kobaltblaue Himmel verschmolz heute geradezu mit der ruhigen Weite des Sees. Josie setzte sich auf eine Bank und blickte gedankenverloren über die quecksilbrig flimmernde Wasseroberfläche, auf der Möwen wie Papierschiffchen schaukelten.

 
    Sie hatte sich gerade etwas gefasst, als sich in das Schwatzen der Möwen eine Melodie mischte. Purpurfarben und sanft.
    Nicht schon wieder! Josie schloss die Augen.
    »Habt keine Angst, schenkt mir Gehör!« Die Stimme ließ sie hochfahren, als hätte man ihr eine Nadel in den Hintern gerammt.
    Auf der Rückenlehne der Bank stand das Vogelwesen, das sie schon auf der Dachterrasse zu sehen geglaubt hatte. Ein etwa handgroßer, schlanker Mann mit schmalem Gesicht, klugen dunklen Augen und einer Nase, die entfernt an einen Schnabel erinnerte. Sein langes Haar war aufwendig geflochten und von demselben schimmernden Schwarz wie der weite Federmantel, unter dem man ein weißes knöchellanges Gewand erahnen konnte.
    »Bist du …« Josies Stimme zitterte.
    Das eigenartige Vogelwesen verbeugte sich. »Druid Dubh, wenn Ihr erlaubt, man hat mich zu Euch hergesandt. Die Amsel war Euch wohlvertraut, nun habt den Boten Ihr erkannt.«
    »Was …« Josies Knie bebten wie Wackelpudding. Sie ließ sich wieder nieder, ohne die Augen von der Erscheinung abzuwenden.
    Druid Dubh hob die Hand und deutete ihr an zu schweigen. Trotz seiner zarten Gestalt strahlte er große Autorität aus. »Es gehn die Dinge ihren Gang, die Fibel weihte Euer Blut. Zu Worten ward der Töne Klang – und aus dem Vogel Druid Dubh.«
    Josie rieb die noch immer schmerzende Wunde in ihrer Handfläche. Was hatte ihr Blut mit der Fibel zu tun? Warum drückte sich der Vogelmann so orakelhaft aus? Was wollte er von ihr? Als hätte er ihre Gedanken gelesen, antwortete Druid Dubh: »Das Erbe, das Ihr in Euch tragt, ist durch die Probe festgemacht. Ihr habt das Purpurherz entfacht! – Ich bin der Bote, der Euch sagt: Es liegt Magie in Eurem Blut. Die Wahl, die auf Euch fiel, war gut.« Aus seiner für ein derart kleines Wesen überraschend wohltönenden männlichen Stimme glaubte Josie, große Erleichterung zu hören.
    Sie versuchte seinen Worten zu folgen. »Der Bote? Bote woher?«
    »Narranda ist’s, das Gold’ne Land, an der schönen Träume Rand. Die edle Königin Órlaith fleht Euch um Eure Hilfe an. Im Reich herrscht derzeit großer Schmerz. Und niemand etwas wirken kann, als ein tapf’res menschlich Herz.«
    »Narranda?« Josies Lippen bewegten sich, doch ihre Stimme versagte. Nie vorher hatte sie von einem Ort dieses Namens gehört.
    Mit einer erhabenen Geste, die den Federmantel im Wind flattern ließ wie die Schwingen eines Vogels, sprach Druid Dubh weiter. »Narranda ist das Reich der Feen. Der gold’nen Feen, der Sidhoir – und ihrer Völker, die in Frieden und aller Eintracht lebten hier. Doch wo dereinst in hellen Tagen noch gold’nes Licht das Land beschien, mit Nebeln sind wir heut geschlagen, die über unsre Sonne ziehn.«
    Am Rand der Träume – Feen. Josie

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