Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
mysteriösen Zerstörung der Bücher zu tun? Präparierte er die Seiten mit irgendeiner Chemikalie? Ohne über eine mögliche Begründung für ein derart unverständliches Verhalten nachzudenken, riss sie die Tür auf. »Hey, leg sofort das Buch zurück!«
Der Junge drehte sich ruckartig um. » Bloody hell ! Was hast denn du hier zu suchen?«
Josie schnappte nach Luft. Mann, war der unverfroren! Spazierte einfach hier rein, ruinierte die Bibliothek und tat auch noch so, als sei er der Herr im Haus.
»Ich wohne hier!«, fauchte Josie zurück.
Der Junge musterte sie von oben bis unten. »Bist du Dorothys Enkelin?«
Josie nickte unsicher. »Woher kennst du meine Großmutter?«
»Aaron O’Reardon ist mein Großonkel – deshalb.«
»Und wie bist du hier reingekommen?«
»Die Terrassentür war nur angelehnt.«
Josie biss sich auf die Lippen. Da hatte sie sich eben ganz schön blamiert. »Woher soll ich denn das wissen?«, brummelte sie. »Ich dachte, da macht einer was an den Büchern.« Sie deutete auf eine Lücke im Regal. »Wo sich doch andauernd welche auflösen.«
Der Junge grinste. »Da bist du allerdings komplett schiefgewickelt! – Obwohl ich wegen dieser eigenartigen Sache hier bin.« Er klopfte auf einen schwarzen Lederband, der aussah, als könne man damit einen Sonnenschirm beschweren. »Sooft ich Zeit hab, hol ich ein oder zwei von den ganz alten Exemplaren und bring sie in den Fotoladen zum Abfotografieren. Digital, verstehst du, damit die Geschichten der Nachwelt erhalten bleiben, auch wenn es das Buch mal nicht mehr gibt. – Ich hab vor, die Texte als E-Books ins Internet zu stellen, dann kann die ganze Welt darauf zugreifen.« Nachdenklich blickte er auf den wuchtigen Band. »Scannen wäre natürlich viel einfacher, funktioniert aber leider nicht. Die maroden Bindungen brechen, wenn man sie auf die Glasplatte legt.«
»Oh«, sagte Josie, die sich noch immer sehr unbehaglich fühlte. »Gute Idee.«
»Ich heiß übrigens Arthur.« Er lächelte sie versöhnlich an.
»Josie. Hi!«, sagte Josie.
»Na, ihr zwei, ihr habt euch wohl schon kennengelernt?« Damit stand der alte Professor im Raum. »Was ist denn heute dran, Arthur?«
Arthur wuchtete zwei schwere Bände hoch. »Die hier. Ich komm jetzt öfter, die Ferien haben angefangen.«
»Sehr gut«, sagte der Professor erfreut. »Zwei von den ältesten Büchern, die Vorrang vor den anderen haben.« Dann sprach er Josie an. »Arthur ist auf den Einfall gekommen, die Bücher zu digitalisieren und im WWW anzubieten.«
»Ja, ich weiß.« Josie deutete auf den kleinen Tisch vor dem Kamin. »Da drüben – es ist schon wieder ein Buch zerfallen.«
O’Reardon blickte seufzend auf den abgeschabten roten Einband, der, seiner Schätze beraubt, schlaff und hohl auf der furnierten Tischplatte lag. »Eine alte Saga aus Nordirland, von der es, soviel ich weiß, keine weitere Ausgabe mehr gibt.« Er schüttelte unglücklich den Kopf. »Wenn ich nur wüsste, was hier los ist. Es geht schon seit Jahren, aber in letzter Zeit stirbt schon bald jede Woche ein Buch, der Verfall grassiert. Ich hatte schon Spezialisten hier.« Er kratzte sich am Kopf. »Aber die waren alle genauso ratlos wie ich. Kein Schädlingsbefall – außer dem, was halt normal ist, bei so alten Stücken. Die Luftmessung hat auch nichts ergeben. Trotzdem hab ich einen sündhaft teuren Luftbefeuchter angeschafft, der das Raumklima konstant hält. Aber auch das hat nichts gebracht.« Er ging in schweren Schritten zur Sitzgruppe und streichelte trist über den leeren Einband, wobei Josie in seinen Augenwinkeln ein Glitzern zu entdecken glaubte. Der alte Herr räusperte sich. »Es ist ein Segen, dass sich Arthur dieser Mammutaufgabe hier angenommen hat. Eine Heidenarbeit – aber die einzige Möglichkeit, die unersetzlichen Informationen, die diese Bücher erhalten, zu konservieren.«
»Schon gut, Onkel Aaron!« Arthur winkte verlegen ab. »Abgesehen davon ist es praktisch, am Bildschirm lesen zu können. Die schweren Schwarten werden ja nicht besser, wenn man in ihnen herumblättert. Und früher oder später hat jeder einen E-Book-Reader.«
Josies Blick schweifte über die Bücherwände. »Und es gibt wirklich keinen Hinweis, was hier vorgeht?«
Der Professor schwieg für einen Moment. »Ich glaube …«, sagte er dann mit belegter Stimme. »Ich glaube inzwischen … Nun, mit rechten Dingen geht es wohl nicht zu.«
»Ein Hausgeist?« Josie hatte es noch kaum ausgesprochen, da
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