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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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zustand, hat sein Bruder, also mein Großvater, bis zuletzt nicht einsehen wollen. Die zwei haben jahrzehntelang um das Testament ihres Vaters prozessiert – und sich bis zu Großvaters Tod nicht versöhnt. Mein Dad ist leider genauso ein Sturkopf, wie sein Vater einer war.« Er verzog das Gesicht. »Und mein Bruder tickt genauso.«
    »Du hast einen Bruder?«
    »Brian. Er studiert schon. Auch Architektur. Macht gerade ein Praktikum bei Dad. Der baut zurzeit ein Mammutprojekt.« Er deutete finster Richtung Westen. »Ein Großkino.«
    »Was ist damit nicht in Ordnung?«
    Arthurs Nasenflügel bebten. »Damit ist überhaupt nichts in Ordnung! Aber er hat die Genehmigung trotzdem durchgesetzt. Die ziehen doch alle den Schwanz ein, wenn mein alter Herr aufkreuzt.« Arthur schnaubte. »Was lernen wir daraus? Geld regiert die Welt!«
    »Wieso …?«, setzte Josie an, doch Arthur ließ sie nicht weiterreden.
    »Sorry, aber darüber will ich jetzt echt nicht sprechen. Ich krieg sonst einen riesen Kropf!«
    Josie schwieg. Zu seinem Vater hatte Arthur anscheinend kein sehr gutes Verhältnis. Sie wechselte das Thema. »Was willst du eigentlich später mal machen?«
    Arthur neigte versonnen den Kopf. »Auf jeden Fall was mit Geschichte oder Ethnologie, vielleicht aber auch Archäologie.« Er hob wieder den Arm. »Schau! Da drüben zum Beispiel, der Hügel – ein Tumulus, ein keltisches Hügelgrab. Wenn du hier aufgewachsen bist, wo du überall von alten Kultstätten umgeben bist … Na ja, Irland ist ein ganz besonderes Land. Es wimmelt von Geheimnissen.«
    Josie beäugte den Hügel misstrauisch. Obwohl darauf friedlich Schafe weideten, ließ er düstere Bilder in ihr aufsteigen. Ob sie sich Arthur anvertrauen konnte?
    Vor ihnen tauchte ein verlassenes Cottage auf, der weiße Kalkputz abgeblättert, das Reetdach struppig wie das Fell einer räudigen Katze. Aus dem dunklen Grün einer verwilderten Fuchsienhecke glühten Tausende roter Blüten. Hundert Meter weiter verschmolz der Feldweg mit einer Teerstraße, an der sich kleine Häuser wie bunte Perlen an einer Schnur aufreihten, mit Blumen vor den Fenstern und fröhlichen Bauerngärten, in deren buchsbaumumrandeten Beeten Malven, Cosmeen und Sonnenhut um die Wette blühten.
    Sie hatten gerade das Ortsschild hinter sich, als Josie einen ersten Tropfen fühlte. »Es fängt an zu regnen!«
    Arthur blickte zum Himmel. »Ein Wunder, dass es so lange gehalten hat. Alte irische Weisheit: ›Zwischen den Schauern ist das Wetter schön‹. – Das verzieht sich, so schnell es gekommen ist. Außerdem sind wir sowieso gleich da.«
    Hatte Josie am Morgen nicht viel von dem Städtchen mitbekommen – der Besuch auf dem Polizeirevier hatte sie zu sehr beschäftigt –, nahm sie nun mit offenen Augen das hübsche Bild einer typisch irischen Kleinstadt in sich auf. Wie Bauklötze, rot, blau, grün, gelb und weiß, schmiegten sich die zumeist betagten Häuser aneinander. Josie hatte den Eindruck, dass aus jedem zweiten Gebäude ein Pub-Schild ragte. Bleeding Horse , Dead Mans Inn , Bloody Stream .
    »Bloody Stream? – Das sind ja vielleicht gruslige Namen!«
    Arthur lachte. »Ja, wir Iren haben manchmal einen ziemlich schwarzen Humor. Aber eigentlich sind wir liebenswürdige Leute.«
    Vor einem einstöckigen Gebäude machte er halt. Kenny’s Photo Shop stand in leicht verblichenen Folienlettern auf dem Glas des kleinen Schaufensters, in dem Kameras, Rahmen, Alben und die Fotografien strahlender Brautpaare und ernst blickender Kommunionkinder um die Aufmerksamkeit der Passanten warben.
    Arthur wuchtete die Kiste vom Fahrrad und stieß die Tür auf. Das durchdringende Klingeln eines Glockenspiels vibrierte durch den lang gezogenen Verkaufsraum.
    Er stellte seine Last auf der Glastheke ab. »Kenny?«
    »Tá mé anseo!« Einen Augenblick später trat ein junger Mann mit kurz geschorenen Haaren und einem Piercing in der Augenbraue aus dem Hinterzimmer. »Dia daoibh.«
    »Hi, Kenny! Arthur deutete auf Josie. »Sprich bitte Englisch! Das Mädchen ist Deutsche, sie versteht kein Gälisch.«
    »Willkomm Froilein!« Kenny verneigte sich theatralisch.
    Josie grinste verlegen. »Sprechen Sie Deutsch?«
    Kenny schüttelte lachend den Kopf. » Just Sauerkraut and ick libbe dick and Froilein …«
    »Also lasst uns anfangen!« Damit packte Arthur die Bücher aus.
    Kenny führte sie ins Hinterzimmer. Die Vorrichtung zum Abfotografieren der Buchseiten bestand in einem Stativ, in das man eine Kamera so

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