Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
hätte sie sich am liebsten schon die Zunge abgebissen. Arthur musste sie ja für völlig bekloppt halten.
Aber der Junge hatte ihren Einwand entweder nicht gehört oder er überging ihn höflichkeitshalber.
Der Professor zuckte deprimiert mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Wer oder was dahintersteckt, hat sich mir noch nicht erschlossen. – Jedenfalls ist es eine Tragödie. Eine Tragödie für die ganze Menschheit.«
Arthur nickte ernst. »Diese Bibliothek ist eine besondere Bibliothek. – Sie dürfte einzigartig sein. Viele der Bücher sind unersetzlich.«
Der Blick des Professors zeigte liebevolle Zustimmung. »Ich habe meinen Gästen gestern schon ein wenig darüber erzählt.« Wohlwollend lächelnd fügte er für Josie hinzu: »Ich bin wirklich froh, dass wenigstens ein O’Reardon noch die alte Berufung spürt. Schließlich ist die Sammlung schon ewig im Familienbesitz.« Er fuhr sich müde durchs Haar. »Arthur wird später Springwood Manor übernehmen. Das Haus, die Bibliothek und die Aufgabe.« Das Klingeln des Telefons unterbrach ihr Gespräch. »Entschuldigt mich.« Damit eilte der Professor aus dem Zimmer.
Arthur holte aus einer Plastikkiste, die am Boden stand, eine Decke, wickelte die beiden Bücher vorsichtig ein, legte sie in den Behälter und schloss den Deckel.
»Willst du mitkommen?«, erkundigte er sich, als er sich wieder aufrichtete. »Du könntest mir helfen.«
»Nach Galbridge? Ist das nicht zu weit zu Fuß?«
»Aber nicht mit dem Fahrrad. Soviel ich weiß, gibt es noch ein altes Damenrad im Schuppen. Auf dem Ding bin ich als kleiner Junge immer rumgedüst. Vielleicht lässt es sich noch aufpumpen.«
Tatsächlich hing im Gartenschuppen noch ein altes schwarzes Damenfahrrad an der Wand. Arthur gelang es wirklich, Luft in die alten Reifen zu pumpen. Josie beobachtete ihn dabei. Er war größer als sie, dünn und schlaksig, eher schmalschulterig, seine Haut blass. Die Augen bernsteinfarben, das Haar kastanienbraun und im Nacken relativ lang. Für einen Jungen hatte er ungewöhnlich lange Wimpern. Er unterschied sich von den Jungs, die sie sonst noch kannte. Er … Ja, er strahlte etwas Kluges aus! – So viel hatte sie aus den wenigen Sätzen, die sie gewechselt hatten, schon entnommen.
»Glück gehabt«, sagte Arthur, als er mit festem Daumendruck die Dichtigkeit überprüfte. »Wäre die Klapperkiste auf dem Boden gestanden, hätten wir die Reifen vergessen können.«
Nachdem er noch etwas Schmieröl auf Kette und Pedalgelenke geschmiert hatte und Josie mit einem Lappen den schlimmsten Dreck weggewischt hatte, fuhr sie Probe. »Es geht!«, rief sie nach einer Runde in der Einfahrt. »Super sogar!«
Arthur wählte die direkte Strecke nach Galbridge, am Waldrand entlang, über einen holprigen Feldweg. Josie musste ordentlich in die Pedale treten, denn ihr antiquiertes Vehikel besaß keine Gangschaltung. Aber der Junge fuhr eigens langsam, damit sie mit ihm mithalten konnte.
»Man merkt, dass dein Großonkel eine Menge von dir hält«, sagte sie, um ein Gespräch in Gang zu setzen. »Er möchte wohl, dass du später die Bibliothek übernimmst.«
Arthur lächelte verlegen. »Na ja, unsere Familie ist etwas schwierig, weißt du.«
Josie warf ihm einen fragenden Seitenblick zu.
Arthur richtete den Oberkörper auf und drehte sich, nur noch eine Hand am Lenker, zu ihr hin. »Da muss ich etwas ausholen. Die O’Reardons sind Nachkommen einer alten Bardenfamilie. Bis ins 12. Jahrhundert oder noch weiter zurück geht diese Tradition, nur gibt es darüber halt nichts Schriftliches. – Sagt dir der Begriff was? Barde?«
»Der Professor hat’s mir erklärt. Barden waren Geschichtenerzähler. Angeblich sehr angesehene Leute.«
»Hat Onkel Aaron dir auch erzählt, dass der Name Reardon ursprünglich ›Dichter des Königs‹ bedeutete?«
Josie schüttelte den Kopf.
»Einer unserer Vorfahren muss vor Urzeiten in königlichem Dienst gestanden haben«, fuhr Arthur fort und Josie sah ihm an, wie stolz er auf die ruhmvolle Vergangenheit seiner Familie war. »Bei den Kelten waren die Barden fast den Druiden, also den Priestern, gleichgestellt. Man sprach ihnen sogar magische Kräfte zu, weil man glaubte, das Wort besitze Magie – vor allem das gereimte Wort. Ursprünglich erzählten die Barden nämlich in Versen oder sie sangen sie zur Harfe.« Arthur warf in einer ungeduldigen Bewegung eine Haarsträhne zurück, die ihm der Wind ins Gesicht geblasen hatte. »Die Sänger
Weitere Kostenlose Bücher