Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
blinder Unverstand stürzt unsre Völker ins Verderben. Wenn die Malaise dauert fort, müssen wir alle elend sterben.«
»Ach so! Schepsel, das sind die Menschen«, murmelte Josie.
Elvinia nickte. »Die Boggels haben nicht erkannt, dass Ihr es seid, nach der gesandt, zu retten unser Gold’nes Reich. Sie war’n in blinder Wut entbrannt. – Seht ihnen nach den üblen Streich!«
Josie rappelte sich auf und klopfte den Schmutz von ihren Sachen. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Arme schmerzten. Aus zahlreichen kleinen Kratzwunden lief in dünnen Rinnsalen Blut. »Autsch!« Sie verzog das Gesicht.
Wieder gab die kleine Meisterin des Waldes ihren Elfen einen Wink, worauf diese gleich wegflatterten. Noch während Josie den letzten nachsah, kehrten schon die ersten mit ovalen Blättern zurück und berührten im Vorüberschweben ihre Wunden. Es fühlte sich an wie ein heilsamer Hauch, mild und tröstlich. Mit ungläubigem Staunen beobachtete Josie, wie sich ihre verletzte Haut zusehends schloss und die Rötungen verschwanden. Kurz darauf war nicht einmal mehr die Spur eines Kratzers zu erkennen. Sie strich sich erstaunt über die Arme. »Was sind denn das für Wunderblätter?«
»Es ist das Laub der lieben Linde, das wirkt, dass jeder Schmerz verschwinde«, sangen die Elfen im Chor, sanft und wohlklingend, aber wie aus der Pistole geschossen.
Elvinia lächelte. »Nun geht, die Dämmerung setzt ein – da seid Ihr sicherer daheim.«
Elvinias Worte ließen Josie erschaudern. Sie hatte von unliebsamen Begegnungen wirklich die Nase voll. Mit einem Ruck stellte sie das Fahrrad auf und blickte sich zweifelnd um. In welche Richtung sollte sie sich halten?
Als hätte Elvinia ihre Unsicherheit gespürt, gab sie ihrem Schwarm einen Wink, worauf die Elfen einen pfeilförmigen Verband bildeten, wie ihn Josie schon oft bei Zugvögeln gesehen hatte.
Sie folgte ihren zart geflügelten Lotsen wie im Traum. Es duftete nach Wald und Wiesenchampignons. Über dem regenfeuchten Gras schwebten Nebelschleier. Ein letzter Streifen Sonnenrot glühte am Horizont. Süßes Sirren begleitete die Flügelschläge der Elfen. Im schwachen Abendlicht schimmerten ihre bunten Schwingen wie Perlmutt und die Kristalle ihrer Silberfühler glommen wie Glühwürmchen. Wie hübsch das aussah! Ach, wenn Amy doch nur hier wäre! Mit ihr könnte sie diesen wunderschönen magischen Moment teilen.
Eine Stimme holte sie jäh in ihre bizarre Wirklichkeit zurück. »Josie!«
Noch im Fahren drehte sie sich um. In einigem Abstand radelte Arthur hinter ihr her. Josie bremste und wartete auf ihn. Die Elfen hielten ebenfalls. Mit rotierenden Flügeln wie Kolibris standen sie um Josies Kopf und blickten neugierig in Arthurs Richtung.
Hechelnd strampelte der Junge auf Josie zu. »Gott sei Dank, da bist du ja!« Mit einem Prusten sprang er vom Rad und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mann, ich hab mir schon schwer Gedanken gemacht! Warum bist du denn einfach abgehauen? Ich war schon in Springwood Manor. Onkel Aaron hat mir ganz schön die Hölle heißgemacht, dass ich dich nicht heimbegleitet hab. Wollte ich ja. Hab doch nur die leeren Dosen zum Mülleimer gebracht. War sicher, dass ich dich gleich einhole. – Fehlanzeige. Du bist ja losgeradelt wie von der Tarantel gebissen. Bin dann noch mal zurückgefahren, um dich zu suchen.« Er sprach abgehackt und nach Luft schnappend.
Über Josies Kopf tuschelte es, Arthur schien den Elfen zu gefallen. »Welch hübsch’ Gestalt!« – »Welch schön’ Gesicht!« – »Und seine Aura ist so licht.«
Josie sah irritiert nach oben, die Elfen kicherten. Ein kleines, tänzelndes Kichern, das wie Triangeln klirrte.
Auch Arthur hob den Blick. »Komisch«, sagte er. »Eine Glühwürmchenversammlung direkt über dir, sieht fast aus wie ’n Heiligenschein. So was hab ich ja noch nie gesehen.«
»Jaaa«, sagte Josie gedehnt und beobachtete ihn gespannt. »Wirklich komisch.«
Arthur nahm also die Leuchtkristalle auf den Fühlerspitzen der Elfen wahr. Für einen Moment überlegte sie, ob sie ihm von ihrem Abenteuer mit den Moosboggels und ihrer Rettung durch Elvinia erzählen sollte. – Aber wie es schien, bemerkte er außer den Lichtpünktchen nichts von den Elfen. Unsicher, wie er ihre Geschichte aufnehmen würde, beschloss sie, die Sache für sich zu behalten.
Sie schob verlegen eine rote Locke hinters Ohr. »Na ja, irgendwie hab ich wohl eine andere Straße aus dem Ort erwischt. Tut mir leid, dass du
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