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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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hoffte, er würde ihr den Rest abnehmen. Aber der große Hund, der neben ihrem Stuhl lag, zeigte nicht den Anflug von Interesse, als sie ihm in einem unbeobachteten Moment etwas Gemüse andrehen wollte. Erst als sie sich dem Schinken widmete, hob er den Kopf.
    »Übrigens«, sprach Moma Josie an. »Heute Nachmittag hab ich noch mal die Aufzeichnungen durchgesehen, die mein Vater gemacht hat. Aaron und ich werden morgen nach Glasglean fahren, um zu sehen, ob noch Pfarrmatrikel existieren, die den Stammbaum weiter zurückverfolgen lassen. Der Ort ist nur ein paar Meilen von hier entfernt. Kommst du mit?«
    Josie legte das Besteck beiseite. »Weiß nicht …«
    Der Professor lächelte ihr verschwörerisch zu. »Es könnte ja sein, dass jemand Bestimmtes vorbeikommt.«
    Josie wurde rot. »Na ja, vielleicht braucht er mich. Die Bücher und so …«
    »Daher weht der Wind!«, sagte Moma. »Ja, er sieht nett aus, dieser Arthur. Gefällt er dir, Josie?«
    »Hm.« Josie überlegte fieberhaft, wie sie von dem Thema Arthur ablenken konnte. Sie deutete zu dem Cembalo hinüber. »Ist es sehr alt?«
    O’Reardon nickte. »Ziemlich. Es dürfte fast so alt sein wie das Haus. Meine Mutter hat oft darauf gespielt.«
    Moma erhob sich und ging zu dem Instrument. »Darf ich?«
    »Aber ja!« Der Professor lächelte ihr zu. »Es ist sehr lange nicht mehr gespielt worden. Trotzdem lasse ich es jedes Jahr stimmen. Es gehört schließlich zum Haus und soll nachkommenden Generationen erhalten bleiben.«
    Josies Großmutter klappte den Deckel zurück und setzte sich auf den davorstehenden Drehhocker.
    »Das sind ja komische Tasten!«, bemerkte Josie staunend.
    Moma schlug einige Töne an. »Bei vielen Cembali sind die großen Tasten schwarz, häufig aus Ebenholz«, sagte sie. »Nur die Halbtöne sind weiß. Und wie du hörst, klingt es auch etwas anders als ein Klavier.«
    Josie stand auf und stellte sich hinter ihre Großmutter. »Es klingt mehr wie ein Saiteninstrument, finde ich, so glasklar. Aber sehr hübsch.«
    Dann begann Moma zu spielen. Moma spielte zu Hause oft Klavier und auch Josie hatte einige Jahre lang Unterricht genommen. Aber genau wie ihrer Großmutter lag es auch Josie nicht besonders, nach Noten zu spielen. Viel lieber klimperte sie frei improvisierend, was ihr gerade so einfiel. Und genau das machte jetzt auch Moma. Es war eine kleine Melodie, die leicht und beschwingt in Orange- und hellen Grüntönen durch den Raum tanzte. Der Professor lehnte sich zurück und ließ kein Auge von der Pianistin, deren schneeweiße Haare locker zusammengeschlungen in den Nacken fielen. Trotz ihres Alters besaß sie etwas Mädchenhaftes, ja Feenhaftes. Federleicht, wie die einer jungen Frau, schwebten ihre schlanken Finger über die Tasten.
    Während ihre Großmutter ganz versunken am Cembalo saß, begann Josie, das schmutzige Geschirr in die Küche zu tragen. Sie kam gerade wieder ins Speisezimmer zurück, als Wolf jaulend aus dem Speisezimmer floh. Ihr verwunderter Blick folgte ihm noch, als sie wie gebannt stehen blieb. Purpurrote Wolken schwebten durch den Raum, eine süße anrührende Melodie, die Josie nur zu gut kannte.
    »Woher kennst du dieses Lied?«
    Ihre Großmutter legte die Hände in den Schoß. »Das von eben? Weiß nicht. Vielleicht aus dem Radio.«
    Der Professor erhob sich und gesellte sich mit bedächtigen Schritten zu ihnen. »Das ist jetzt wirklich eigenartig«, sagte er bewegt. »Dieses Lied hat mich durch meine Kindheit begleitet. Meine Mutter hat es oft auf diesem Cembalo gespielt. Und ebenso meine Großmutter. Haltet mich für verrückt oder nicht, man könnte fast meinen, das Instrument erinnere sich daran.«
    Moma sah ihn in einer Mischung aus Zweifel und Besorgnis an. »Aber Aaron! Was du immer für Ideen hast.«
    Josie starrte auf die Tasten. »Es ist das Lied von Druid Dubh. Genau diese Melodie. Das Lied der Amsel.«
    Der Professor warf ihr einen bestürzten Blick zu. »Für mich besteht kein Zweifel mehr! Ihr seid nicht von ungefähr hierhergekommen«, sagte er rau. »Ich spüre es in jedem meiner alten Knochen. – Glaubt mir. Ihr tragt beide das Feenzeichen! Und heute die Sache mit dem Caduceus und die Melodie …«
    Der Ernst in seinen Worten erstickte Momas Widerspruchsgeist. Um der irrealen Situation ein Ende zu bereiten, stand sie auf, und klappte mit einer resoluten Bewegung das Cembalo zu. »So, Josie und ich machen jetzt die Küche fertig.« Sie ging zum Tisch und nahm einen großen Schluck Wein.

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