Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Zügen …« Der Strom seiner Gedanken in Josies Kopf brach ab, aber sie wusste dennoch, an wen er dachte.
Rosalindes Augen verengten sich. »Du Hund! Zum Jammern ist’s zu spät, verwirkt das Leben von Nárbflaith!« Ihre aufgebrachte Stimme mäßigend, fuhr sie fort: »Zu sühnen deine Missetat, dem Mädchen dien’ mit gutem Rat. Denn nur ihr kühn beherztes Streben kann dir den Frieden wiedergeben.«
Wolf senkte betroffen den Kopf. Josie tat er leid. Musste Rosalinde so auf ihm herumhacken? Sie trat neben ihren Gefährten und verabschiedete sich. »Danke, liebe Rosalinde! Danke für alles!«
Rosalinde nickte bewegt und zog sich in ihre Wohnung zurück.
Der Feuersalamander züngelte wie eine lang gezogene Flamme an der Decke. Obwohl er lichterloh brannte, schien er zu schlafen. Josie blickte zweifelnd von Tür zu Tür. Durch welche sollten sie jetzt bloß gehen? Ob Wolf es wusste? Doch unversehens beantwortete sich ihre Frage von selbst. Denn plötzlich sprang ein zweiflügliges Tor auf. Ein Wasserfall strahlenden Lichts schoss auf sie zu. Ein erregendes Gefühl durchwirbelte sie. Freude, Erwartung. Das unerklärliche Gefühl nach langer, langer Zeit heimzukehren.
Mit klopfendem Herzen trat sie hindurch und fand sich in einer Art Treppenhaus wieder. Unzählbare weiße Marmorstufen schienen endlos nach oben zu führen. Doch schon beim ersten Schritt stolperte sie. Verdammt! Das Kleid! Sie raffte den Rock und stapfte erwartungsvoll aufwärts. Wolf hielt sich dicht an ihrer Seite. Es wurde heller und heller, als führte die Treppe geradewegs zur Sonne. Josie hätte unmöglich sagen können, wie viele Stufen sie schon gestiegen waren, als sich in das gleißende Licht ein purpurfarbener Ton mischte. Erst kaum vernehmbar, dann immer deutlicher ertönte eine Melodie, die Josie nur zu vertraut war. Das Lied von Druid Dubh.
»Es ist die Hymne Narrandas«, vernahm sie Wolf in ihrem Kopf. »Nárbflaith hat sie so oft auf dem Cembalo gespielt.«
Die Trauer in seiner Stimme, ließ in Josie die Erinnerung aufblitzen, wie panisch er das Speisezimmer verlassen hatte, als Moma dem Cembalo genau diese Melodie entlockt hatte.
Nachdem sie endlich die letzten Stiegen erreicht hatten, wölbte sich über ihnen ein unwirklich blauer Himmel. Staunend sah sich Josie um. War dies die Stadt aus ihren Träumen? Noch nie im Leben hatte sie so etwas Prachtvolles gesehen. Oder doch? Tief in ihr keimte etwas wie Wiedererkennen auf. Im unwirklich klaren Licht standen eng an eng kleine saubere Häuser mit rundem Grundriss und glänzend gedeckten, kegelförmigen Dächern. Sie kniff die Augen zusammen. Waren die Ziegel aus Gold?
Etwas Schwarz-Weißes flog ihnen entgegen. Druid Dubh, in der Gestalt des Vogelmanns, landete auf einem Rosenstock, dessen prächtige Purpurblüten betörend dufteten. »Im Reich der Feen seid willkommen! Ihr habt die Pforte überwunden und den verborg’nen Weg gefunden. Auch habt den Hund Ihr mitgenommen.« Neben dem abfälligen Ton, mit dem er Wolf erwähnte, entnahm Josie seiner Stimme offensichtliche Erleichterung.
Ohne Josies Begleiter eines einzigen Blickes zu würdigen, forderte Druid Dubh sie mit einer Geste auf, ihm zu folgen. »Es ist ein ganzes Stück zu gehen. So könnt Narranda Ihr besehen.«
Josie tätschelte Wolf tröstend am Hals. Mach dir nichts draus. Ich jedenfalls bin sehr froh, dass du bei mir bist, teilte sie ihm stumm mit.
»Wer Schuld auf sich lädt, muss auch die Konsequenzen tragen«, antwortete die dunkle Gedankenstimme, die Josie mittlerweile schon so vertraut war, dass sie über die befremdende Form ihrer Kommunikation gar nicht mehr nachdachte.
Die Stadt, die sie nun durchschritten, nahm Josie ganz in ihren Bann. Sämtliche Häuser waren rund oder oval. Gold und Weiß dominierten das Bild und gaben den Gebäuden trotz ihrer Schlichtheit etwas Prunkvolles. Farbenprächtige Vögel, größere und kleinere, aber alle mit herrlich geschwungenen Schwanzfedern, zwitscherten auf maigrünen Bäumen. Schwärme von exotischen Schmetterlingen flatterten durchs Himmelblau. Über Wänden und Mauern rankten sich purpurfarbenen Rosen, die betörend dufteten. Wie wunderschön! Sie blickte zum Himmel und wandte sich geblendet ab.
»Das ist Solaria, ihre Sonne, die niemals untergeht«, meldete sich Wolf zu Wort. »Narranda kennt keine Nacht. Doch sind die Sidhe seit jeher große Bewunderer des Mondes, dem sie magische Kräfte zusprechen. Vor allem in Vollmondnächten suchen sie deshalb die Welt
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