Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Alchemist?
»So ist es!«, bestätigte Wolf. »Conalls Vater und Großvater hatten von ihren Reisen viele Bücher mitgebracht, einige davon uralte Folianten. Teilweise noch handgeschriebene Bände, die während der Säkularisation aus Klöstern gestohlen worden waren und danach auf Märkten verschachert wurden. Darunter auch Bücher über Magie und Alchemie. Und während die anderen Burschen sich auf dem Tanzboden amüsierten, studierte Conall heimlich die verbotenen Künste. Sieben Jahre zog er sich zurück, sieben lange Jahre …«
Wolf schwieg. Und wieder fühlte Josie, dass er sie von seinen Gedanken aussperrte.
»Hat er das Zaubern gelernt?«
»Nun, er lernte, Geister zu beschwören, die kleinen und geringen, die mit wenig Macht. So zwang er einen Leprechaun in seinen Blick und fand am Ende eines Regenbogens einen lange verborgenen Schatz. Conalls plötzlicher Reichtum machte ihn den Leuten unheimlich. Sie mieden und fürchteten ihn. Gerüchte gingen um, er könne fliegen und stünde mit dem Teufel im Bunde.«
»Mit dem Teufel?« Josie schauderte.
»Magie besitzt, wie alles andre auch, zwei Pole«, fuhr Wolf fort. »Man spricht von weißer und schwarzer Magie. So stehen dem Adepten helle Kräfte bei, wenn sein Wirken heilsam ist – doch nutzt er auch die dunkle Seite, will er über ein Wesen Macht erlangen. Und selbst beim Liebeszauber ist das so.«
»Liebeszauber«, murmelte Josie. »Hat er es denn geschafft, die schöne Fee zu gewinnen?«
Wolf ging langsamer, als laste eine schwere Bürde auf ihm. »Oh ja, das hat er. Er machte sich einen Phuka gefügig, einen dunklen Wandelgeist von zweifelhaftem Ruf, und schickte ihn als weiße Taube ins Reich der Feen, dass er Nárbflaith einen Brief überbringe. Magische Verse, geschrieben mit seinem eignen Blut, in das er eine Prise ihres zerriebenen Haars gemischt hatte. Als Nárbflaith die Zauberworte las, entflammte sie sogleich in unstillbarer Sehnsucht und Liebe zu Conall. Und als der Vollmond wieder über der Lichtung stand und Saint Patrick Mitternacht schlug, entstieg sie dem Stein und verließ für immer ihre Welt.«
Vor Josies innerem Auge erstand das Bild einer wunderbaren Liebesszene. Ein junges, sich innig umarmendes Paar auf einer mondbeschienenen Lichtung. Sie seufzte. »Wie romantisch! Sie müssen sehr glücklich gewesen sein.«
Ihr vierbeiniger Gesprächspartner ließ den Kopf hängen. »Das Glück währte nur kurz, denn du musst wissen – verfällt eine Sidhoir einem Sterblichen, wird sie durch einen uralten Fluch aus ihrer Welt verstoßen. Sie opfert alles. Glück und Leben. An menschlichen Verhältnissen gemessen, verfügen die goldenen Feen über eine nahezu endlose Lebensspanne. Doch in der Welt der Dinge zerreißt ihr Lebensfaden schon nach kurzer Dauer. Und jede ihrer Töchter trägt den Fluch in sich und gibt das Erbe weiter. Und keine wird ihr Liebesglück je finden.«
Josie stutzte. Wolfs Geschichte, die Dramen ihrer eigenen Familie, dazu das, was der Professor neulich darüber gesagt hatte. Alles rollte sich im Bruchteil einer Sekunde vor ihr ab. – Aber war das möglich? War dieser Conall …?
»Du bist ein kluges Mädchen«, unterbrach Wolf ihre Gedankenflut. »Nun, es kam so, dass Nárbflaith ihrem Conall alles schenkte. Und als ihr Jawort durch Saint Patrick klang, raste ein Sturm durchs Kirchenschiff, ein wütendes Zischen, ein rasendes Heulen, dass den entsetzten Hochzeitsgästen Hören und Sehen verging. Man hielt es für ein schlechtes Omen. Und ganz zu Recht. Doch Conall wollte nichts davon hören. Er ließ für Nárbflaith ein prächtiges Haus errichten, genau auf der Stätte ihrer ersten Begegnung.«
»Springwood Manor«, sagte Josie erregt, der die Zusammenhänge wie Schuppen von den Augen fielen. »Um das Portal zur Anderwelt, den Ogham-Stein herum.«
»Der von da an in der Bibliothek verborgen war«, bestätigte Wolf ihre Vermutung. »Denn trotz ihrer großen Liebe zu Conall verspürte Nárbflaith großes Heimweh nach dem Reich der Feen. Doch war und blieb der Weg zurück für sie verschlossen. Ein Jahr und ein Tag vergingen, da entband sie ein Töchterchen.«
»Aislinn«, murmelte Josie.
»Aislinn«, wiederholte Wolf. »Ein hübsches kleines Mädchen mit rotblondem Haar und jadegrünen Augen, das Feenzeichen auf der Stirn.« Seine Stimme in Josies Kopf brach. »Doch starb Nárbflaith, ehe das Kind noch in der Wiege lag.«
Josie würgte an einem Klumpen Blei. »Wie furchtbar«, murmelte sie.
Sie gingen
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