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Das Vermächtnis der Feuerelfen

Das Vermächtnis der Feuerelfen

Titel: Das Vermächtnis der Feuerelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sagte er wie zu sich selbst.
    Caiwen antwortete nicht. Schweigend stand sie neben Heylon und beobachtete, wie der breite Streifen heranwuchs und allmählich an Konturen gewann. Aus dem einheitlichen Dunkel formten sich nach und nach die Silhouetten von Bäumen. Dicke Stämme, die ihre kahlen und knorrigen Äste wie vielarmige Skelette dem Himmel entgegenreckten.
    »Ich dachte immer, sie wären grün.« Eine Spur von Enttäuschung schwang in Heylons Stimme mit.

    »Das sind sie auch.« Finearfin trat neben Caiwen und legte die Hände auf die Reling. »Im Sommer. Noch ist es dafür zu kalt. Frost und Schnee würden die Blätter zerstören.«
    »Melrem hat gesagt, ich hätte die Gabe, den Schnee zu bannen, deshalb seien die Winter auf dem Riff immer mild gewesen.« Sie schaute Finearfin fragend an: »Ist das wahr?«
    »Es ist Teil deines Erbes.« Finearfin nickte und für einen Augenblick wirkte sie glücklich. »Wenn du ins Zweistromland zurückkehrst, werden die Bäume dort immer grün sein. Der Winter hat dann keine Macht mehr über sie.«
    … wenn du ins Zweistromland zurückkehrst. Die Worte jagten Caiwen einen Schauder über den Rücken. Wie konnte sie an einen Ort zurückkehren, an den sie keine Erinnerung hatte außer ein paar albtraumhaften Bildern?
    »Was ist?« Finearfin sah sie von der Seite an. »Freust du dich nicht, nach Hause zu kommen?«
    »Ich weiß nicht, was ich fühle.« Caiwen suchte nach den richtigen Worten. »Auf dem Riff haben wir einen Spruch«, sagte sie dann. »Er lautet: Unsere Heimat ist dort, wo das Schicksal unseren Lebensanker ausgeworfen hat. Das Zweistromland ist die Heimat meiner Mutter. Meine Heimat ist das Riff, der Ort, an dem ich aufgewachsen bin.«
    Finearfin antwortete nicht sofort, dann nickte sie und sagte: »Da ist etwas Wahres dran. Aber auch wir Elfen haben eine Lebensweisheit. Nicht wo du die Bäume kennst, wo die Bäume dich kennen, ist deine Heimat.« Sie lächelte. »Verwurzelt sein heißt, seinen Platz freiwillig zu wählen, wie ein kluger Mann einmal bemerkt hat. Am Ende wird dein Herz dir sagen, wo deine Wurzeln sind und deine Heimat liegt. Entscheide selbst. Niemand wird dich zwingen.«
    »Aber wenn ich nicht im Zweistromland bleibe, wird mein Volk leiden. Ich bin nicht frei zu wählen.«
    »Du bist die Patrona des Zweistromlandes«, erwiderte Finearfin
ernst. »Deine Gabe und dein Erbe binden dich. Durch sie ist dein Schicksal enger als jedes andere mit dem unseres Volkes verwoben.«
    »Dann bin ich eine Gefangene.«
    »Du bist das, was du daraus machst.« Finearfin berührte sie sanft am Arm. »Du kannst deiner Bestimmung nicht entfliehen, aber du kannst lernen, mit ihr zu leben.« Sie zwinkerte Caiwen zu: »Es gibt immer einen Weg.«
    »Es ist ja nicht so, dass ich meinem Volk nicht helfen will«, sagte Caiwen mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. »Aber ich fürchte, dass das, was da auf mich zukommt, zu groß für mich ist. Ich … ich weiß so wenig und …«
    »Ich verstehe deine Sorgen. Aber sie sind unbegründet. Niemand erwartet Wunder von dir, aber deine Nähe wird uns die Hoffnung zurückbringen.«
    »Was sagst du dazu?«, wandte sich Caiwen an Heylon, der sich bisher zurückgehalten hatte.
    »Ich denke, es ist immer gut zu wissen, wo man herkommt«, erwiderte er nach einem Moment des Schweigens. »Du kannst nichts ablehnen, was du noch nicht kennst. Daher solltest du dir die Heimat deiner Mutter auf jeden Fall ansehen. Dann kannst du dich immer noch entscheiden.«
    »Du hast recht.« Caiwen nickte und wandte sich wieder an Finearfin. »Aber ich kann nichts versprechen.«
    »Das ist auch nicht nötig.« Finearfin lächelte. »Ich bin sicher, dein Herz wird dir den rechten Weg weisen.«
    »Seht mal dort!« Heylon deutete nach Westen, wo sich vor dem Hintergrund des blauen Himmels ein gewaltiger Vogel näherte.
    »Was ist das?« Caiwens Stimme bebte. Sie hatte noch nie einen so großen Vogel gesehen.
    »Ein Sturmadler.« Finearfin wirkte angespannt, während sie beobachtete, wie der Adler näher kam. »Mit einer Spannweite von
sieben Schritt ist er der größte Raubvogel in Tamoyen. Seltsam, dass er hier auftaucht. Sein Revier sind die Berge im Süden. Er meidet den Ozean.«
    »Vielleicht hat er sich verflogen«, vermutete Heylon.
    »Oder er ist nicht das, was er zu sein vorgibt.« Mit wenigen Schritten war Finearfin bei den Waffen und nahm den kunstvoll geschnitzten Langbogen zur Hand, der dort für sie bereitlag. Mit geübten Bewegungen

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