Das Vermächtnis der Feuerelfen
schlechter Mensch.«
»Ach nein?« Heylon gelang es kaum noch, seine Wut zu beherrschen. »Er lügt, betrügt, entführt und mordet. Ein wirklich guter Mensch - wie?«
»Er hat einen Kodex, dem er sich verpflichtet fühlt«, erwiderte das Baumhörnchen selbstbewusst.
»Das entschuldigt noch lange nicht, was er getan hat.« Heylon schnappte nach Luft. »Wenn Caiwen ein Leid geschieht, wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird, dann werde ich ihn eigenhändig dafür töten!«
»Wen willst du töten?« Wie aus dem Nichts tauchte Finearfin neben Heylon auf. Das Baumhörnchen gab ein erschrockenes Fiepen von sich, verwandelte sich blitzartig in einen kleinen Vogel und flog davon.
»Verdammt!« Heylon hieb mit der geballten Faust auf den Boden.
»Mit einer Prise Salz wäre das nicht geschehen.« In der Stimme der Elfe lag kein Vorwurf, aber Heylon empfand die Worte dennoch als solchen. Er öffnete den Mund und wollte sich rechtfertigen, aber Finearfin sprach bereits weiter: »Was ist geschehen?«
Was Heylon gerade erlebt hatte, war schnell erzählt. Es klang verwirrend, aber die Elfe schien schnell zu begreifen, worum es ging.
»Dann ist Caiwen jetzt also mit den Kriegern auf dem Weg nach Arvid und Durin liegt verletzt irgendwo im Wald«, fasste sie zusammen. »Das sieht nicht gut für uns aus, gar nicht gut.«
»Wir könnten versuchen, eine Abkürzung zu finden«, schlug Heylon vor.
»Die gibt es nicht.« Schatten umwölkten Finearfins Stirn. »Die Krieger besitzen Pferde und kennen den Weg. Sie bewegen sich viel schneller, als Durin es vermocht hätte. Zu Fuß werden wir sie niemals einholen.«
»Dann müssen wir uns Pferde besorgen.«
»Kannst du reiten?«
»Nein.«
»Na also.« Finearfin seufzte und starrte in das Dunkel zwischen den Bäumen. Heylon schwieg. Er wusste keinen Rat und hatte das Gefühl, dass alles, was er sagen könnte, falsch sein würde.
»Pferde?«, ertönte plötzlich eine Stimme in den Zweigen über ihnen. »Ich glaube, da könnte ich euch behilflich sein.« Heylon blickte nach oben und sah das Baumhörnchen in sicherer Entfernung auf einem Ast sitzen. »Wie …?«, hob er an, aber Finearfin fiel ihm barsch ins Wort: »Kommt nicht infrage. Der Tag ist fern, an dem Elfen einen Handel mit Kreaturen der Anderwelt schließen.«
»Gut, wie ihr meint.« Das Baumhörnchen machte es sich auf dem Ast bequem und sagte lässig: »Wenn euch das Schicksal des Mädchens gleichgültig ist.«
»Ist es nicht!«, brauste Heylon auf, und Finearfin fügte hinzu: »Aber wir retten sie auch ohne deine Hilfe.«
»So, so. Ach übrigens, die Krieger haben nicht nur schnelle Pferde …«, bemerkte das Baumhörnchen vielsagend. Heylon wollte etwas entgegnen, aber Finearfin gebot ihm mit einer energischen Geste zu schweigen. »Es wird hell«, sagte sie. »Pack deine Sachen, wir brechen auf.«
»… sie haben einen Rußraben, der sie führt«, redete das Baumhörnchen weiter, als spräche es zu sich selbst.
»Einen Rußraben?« Finearfin wirbelte herum und starrte das Baumhörnchen an. »Woher weißt du das?«
»Ich habe ihn gesehen.«
»Verdammt.«
Noch nie hatte Heylon Finearfin so betroffen gesehen. »Was ist ein Rußrabe?«, fragte er vorsichtig.
»Ein Botenvogel von der Feuerinsel.« Finearfin seufzte. »Wenn die Krieger einen Rußraben dabeihaben, kann das nur heißen, dass sie für Nimeye arbeiten.«
»Und was bedeutet das?«, wollte Heylon wissen.
»Das bedeutet, dass sie Caiwen zur Feuerinsel bringen werden.«
»Das lasse ich nicht zu!« Heylon sprang auf. »Worauf warten wir noch? Wir müssen ihnen nach.«
»Wir können es versuchen, aber ich fürchte, wir werden zu spät kommen. Caiwen wird längst auf hoher See sein, wenn wir Arvid erreichen.« Finearfin schüttelte niedergeschlagen den Kopf.
»Nicht wenn ihr reiten könnt!«, tönte es von oben aus den Zweigen.
»Schweig!« Finearfin bückte sich, hob einen Ast auf und wollte ihn nach dem Baumhörnchen werfen, aber diesmal war es Heylon, der sie zurückhielt. »Deinen Elfenstolz in Ehren«, sagte er mit ungewohnt scharfer Stimme. »Aber so kommen wir nicht weiter. Was ist dir wichtiger? Das Zweistromland vor den Eisdämonen zu schützen oder deinen Hochmut zu pflegen?«
Finearfin schaute ihn an und schwieg. In ihrem Gesicht arbeitete es. Einen bangen Augenblick fürchtete Heylon, er sei zu weit gegangen. Dann sagte sie: »Also schön, Anderweltler. Du hast gewonnen. Wir nehmen die Pferde. Sag uns, was du dafür
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