Das Vermächtnis der Feuerelfen
eilig hatten, die Lichtung zu verlassen, dauerte es noch bis weit nach Sonnenaufgang, ehe sie aufbrachen. Einige Pferde waren während des Kampfes durchgegangen und mussten im Wald mühsam zusammengetrieben werden, ehe die Männer ihre getöteten Kameraden in Mäntel hüllen und sie auf die Rücken der Pferde legen konnten.
Caiwen kauerte, gefesselt und von einem Krieger bewacht, in der Nähe der Pferde. Während sie fieberhaft nach einer Möglichkeit zur Flucht suchte, wanderte ihr Blick immer wieder zu Durin hinüber, der regungslos am Boden lag. Ihre feinen Sinne sagten ihr, dass er am Leben war, ob er das angesichts seiner schweren Kopfverletzung auch bleiben würde, wagte sie jedoch zu bezweifeln. Insgeheim rechnete sie jeden Augenblick damit, dass Saphrax in Gestalt eines Raubtiers aus dem Gebüsch stürmen würde, um Durin zu helfen, aber die Zeit der Dämmerung verstrich, ohne dass er sich blicken ließ.
Es war eine neue, beängstigende Erfahrung, die Caiwen an diesem Morgen machte. Zum ersten Mal, seit sie das Riff verlassen hatte, war sie ganz allein und musste sich ohne Aussicht auf Hilfe ihrem Schicksal stellen. Maeve hatte die Krieger ausgeschickt, um nach ihr zu suchen, so viel hatte sie den Worten des Anführers entnehmen können.
Maeve …
Der Klang des Namens jagte Caiwen einen Schauder über den Rücken.
Hüte dich vor Maeve und Nimeye …
Diese Maeve musste eine sehr mächtige Frau sein, wenn sie einen so großen Reitertrupp befehligen konnte und ein eigenes Schiff besaß. Was immer sie von ihr wollte, das wurde Caiwen nun klar, musste von größter Wichtigkeit sein. So wichtig, dass sie dafür sogar den Tod ihrer Männer in Kauf nahm.
Eine Frau, die über Leichen ging, um ihr Ziel zu erreichen. Caiwen spürte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte, und sie fragte sich, was die Zukunft wohl noch für sie bereithalten mochte.
Dann waren die Krieger abmarschbereit. Man löste ihre Fußfesseln und zerrte sie auf den Rücken eines Pferdes, das einer der Männer am Zügel hinter sich herführte. Bis zum Abend ritten
sie ohne Pause auf gewundenen, kaum auszumachenden Pfaden durch den Wald, zwängten sich in Nebel und schattiger Düsternis zwischen wuchtigen Bäumen und dornigem Gestrüpp hindurch, überwanden vereiste Bachläufe und zugefrorene Waldseen, während der blauschwarze Vogel unermüdlich voranflog und ihnen den Weg wies.
DRITTES BUCH
Mal síve Anar orta arinesse, San orta estel.
VIER GEFÄHRTEN
F inearfin und Heylon schlugen ihr Nachtlager unter den ausladenden Zweigen einer alten Tanne auf, wo der Boden mit einer dicken Schicht aus Nadeln bedeckt war, die sie ein wenig vor der Kälte schützte.
Während Finearfin die erste Wache übernahm, wickelte Heylon sich in seine Decke, rollte sein Bündel zusammen und bettete seinen Kopf darauf, um zu schlafen. Das behelfsmäßige Lager erwies sich als wenig bequem, aber das störte ihn nicht. Nachdem sie von Sonnenaufgang bis weit nach Sonnenuntergang ohne Pause gelaufen waren, quälte ihn eine bleierne Müdigkeit, die über alles hinausging, was er bisher an Erschöpfung gekannt hatte.
Finearfin schien zu spüren, wie schlecht es um seine Kräfte bestellt war. Mehrfach hatte sie ihm angeboten, eine Rast einzulegen, was er jedoch als unnötig abgetan hatte. Sie hatte es nicht laut ausgesprochen, aber er wusste, dass jedes Innehalten Durins Vorsprung weiter vergrößerte und ihre Chancen, Caiwen zu befreien, dahinschmelzen ließ. So hatte er die Zähne zusammengebissen und die Schmerzen verdrängt, mit denen seine gemarterten Muskeln bei jedem Schritt gegen die Anstrengung rebellierten. Was immer auch geschehen mochte, Finearfin sollte ihm nicht vorwerfen, dass es seine Schuld war, wenn sie trotz aller Mühen scheiterten.
Scheitern. Das Wort versetzte ihm einen Stich. Daran, dass am Ende alles vergebens gewesen sein könnte, wollte er nicht einmal denken. Gähnend schloss er die Augen, schob die Zweifel beiseite und war augenblicklich eingeschlafen.
Als Finearfin ihn zur Mitte der zweiten Nachthälfte weckte, schien es ihm, als wären erst wenige Augenblicke vergangen. Steif vor Kälte und dem Schlaf noch nicht ganz entronnen, erhob er sich, schüttelte die trockenen Tannennadeln von der Decke und machte sich taumelnd auf den Weg, seinen Teil der Wache zu übernehmen. Als er sich an den Baum lehnte und seinen Posten bezog, war er immer noch todmüde und wünschte sich nichts sehnlicher, als weiterschlafen zu dürfen, aber er
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