Das Vermächtnis der Feuerelfen
lösen.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?« Caiwen versuchte, sich ihre neu erwachte Furcht nicht anmerken zu lassen. Sie spürte, dass etwas in der Luft lag. Etwas Schreckliches, das Maeve sich ganz bewusst bis zum Schluss aufgespart hatte.
»Weil ich weiß, wie sehr du deinen Freund liebst?« Maeves Tonfall war lauernd wie ihr Blick.
»Heylon!«, rief Caiwen erschrocken aus. »Was … was ist mit ihm?«
»Du glaubst doch nicht, dass ich die Krieger nur ausschickte, um nach dir zu suchen?« Ein zufriedenes Lächeln, das die faltigen Mundwinkel nicht erreichte, zeigte sich auf Maeves Gesicht. »Ich habe schon zu viel erlebt und erlitten, als dass ich nur ein Eisen im Feuer habe - du verstehst, was ich meine?«
»Dann … dann hast du …? Dann ist Heylon auch dein Gefangener?«, stammelte Caiwen. Ihre Stimme bebte.
»Oh, du sorgst dich um ihn. Wie rührend.« Das Lächeln auf Maeves Gesicht vertiefte sich. »Aber keine Angst, ihm wird nichts geschehen - wenn du tust, was wir von dir verlangen.«
»Du lügst!« Caiwen sprang so hastig auf, dass der Stuhl nach hinten kippte. »Ich glaube dir kein Wort. Heylon ist immer noch bei Finearfin, und ich bin sicher, dass er nicht ruhen wird, bis er mich gefunden hat.«
»Du enttäuschst mich, Caiwen.« Maeve schnalzte leise mit der Zunge und schüttelte missbilligend den Kopf. »Als Elfe solltest du auch ohne Ausbildung in der Lage sein, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Horche in dich hinein, und du wirst erkennen, dass du mich zu Unrecht beschuldigst.«
Erbost starrte Caiwen die Alte an. Die Hände zu Fäusten geballt, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass Heylon etwas zustoßen könnte. Sie hatte geglaubt, dass er in Sicherheit sei - doch nun …?
Als Maeve ihr die grausame Botschaft verkündete, hatte sie nicht den geringsten Hinweis auf eine Lüge finden können. In
den langen Wintern auf dem Riff hatte sie gelernt, auf dieses Gefühl zu hören. Noch nie hatte es sich geirrt - leider auch diesmal nicht.
»Sag es!«, forderte sie Maeve heraus. »Sag es mir mit deinen eigenen Worten. Sag mir, dass Heylon dein Gefangener ist.«
»Dein Freund ist in den Händen meiner Krieger«, erklärte Maeve so ruhig, dass es Caiwen einen Schauder über den Rücken jagte. »Es geht ihm gut, aber wenn du nicht tust, was ich von dir verlange, wird er nicht mehr lange am Leben bleiben.«
Caiwen zitterte am ganzen Körper. »Was ist mit Finearfin?«, presste sie mühsam hervor.
»Tot!«
Das Wort traf Caiwen mit der Wucht eines Schwerthiebs. Für einen Augenblick wurde ihr schwindelig. »Tot?«, flüsterte sie.
»Sie wollte uns den Jungen nicht überlassen.« Maeve sagte das mit einer solchen Kälte, dass Caiwen sich nicht mehr beherrschen konnte. Die gefesselten Hände zu Klauen gekrümmt, wollte sie sich mit einem Aufschrei auf Maeve stürzen, wurde aber sogleich von zwei kräftigen Kriegern festgehalten, die wie aus dem Nichts neben ihr auftauchten.
Sie wehrte und wand sich unter dem Griff und schnappte mit den Zähnen nach den Händen der Männer, aber sie hatte keine Chance. »Du hast keine Wahl«, hörte sie Maeve über das wilde Rauschen des Blutes in ihren Ohren hinweg sagen. »Nur wenn du Nimeye befreist, wird dein Freund am Leben bleiben. Überleg es dir gut in den kommenden zwei Nächten.« Ihre Stimme nahm einen befehlenden Ton an, als sie den Wachen zurief: »Und jetzt fort mit ihr! Schafft sie auf das Schiff.«
Als sich die Tür hinter Caiwen schloss, wurde es still im Schlafgemach. Die flackernden Flammen der Kerzen beruhigten sich. Die Zofe nahm lautlos den Stuhl fort. Während Maeve sich mit
einem Seufzer zurücksinken ließ, löste sich die Gestalt eines Mannes aus den Schatten jenseits des großen Bettes und trat an die Liegestatt. »Du hast sie angelogen«, stellte er beeindruckt fest. »Wie ist das möglich?«
»Sie ist noch sehr unerfahren«, kam die erschöpfte Antwort aus den Tiefen der Kissen. »Es war leicht, sie zu täuschen.«
»Aber mir ist eine solche Täuschung nicht gelungen.«
»Natürlich nicht.« Maeve lachte leise.
»Warum nicht?«
»Weil du viel zu sehr ein Mensch bist, mein lieber Melrem - viel zu sehr ein Mensch.« Maeve richtete sich ein wenig auf und schaute ihren Enkel von der Seite an. »Aber das hat auch Vorteile, die nicht nur der König Tamoyens zu schätzen weiß.«
»Weil ich dir regelmäßig Informationen über die Politik am Hofe zukommen lassen kann?«
»Weil du nur als
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