Das Vermächtnis der Feuerelfen
Die Hände in die Hüfte gestemmt, baute er sich vor ihm auf und fügte gefährlich ruhig hinzu: »Und nenn mich nie wieder einen Lügner.«
»Aber sie ist nicht da!« Heylons Stimme bebte, als er sich aufrichtete und sich mit dem Handrücken das Blut vom Mund wischte.
»Na und? Was heißt das schon?«, fuhr Durin ihn an. »Wenn sie nicht hier ist, ist sie eben woanders. Wir finden sie schon.«
»Aber du hast gesagt, du weißt, wo sie ist. Du hast versprochen, uns …«
»Vielleicht lasst ihr mich erst einmal ausreden, bevor ihr euch die Köpfe einschlagt.« Wie aus dem Nichts erschien Saphrax als ein großer, grauer Hund zwischen den beiden Streithähnen. »Und vielleicht hörst du«, er schaute Heylon an und fletschte die Zähne, »das nächste Mal genauer hin, bevor du einen anderen der Lüge bezichtigst.«
»Aber...«
»Kein Aber.« Saphrax knurrte warnend. »Ich habe gesagt, Caiwen ist nicht mehr im Haus. Das heißt aber nicht, dass sie nie dort war.«
Heylon schaute beschämt zu Boden und sagte nichts.
»Saphrax hat recht«, mischte Finearfin sich ein. »Ein Streit hilft uns nicht weiter.« Sie trat neben Saphrax, strich ihm über
den zottigen Kopf und sagte: »Lass uns hören, was du erfahren hast.«
»Nicht sehr viel.« Saphrax schüttelte sich. »Ich habe nur das Ende eines Gesprächs zwischen Melrem und seiner Großmutter belauschen können. Die beiden stritten sich. Die Alte machte Melrem bittere Vorwürfe und nannte ihn einen unfähigen Versager. Ohne Borax und die Krieger wäre alles verloren gewesen, hörte ich sie sagen. Sie glaubt, dass die Nachtmahre Caiwen und Durin in Stücke gerissen hätten, wenn ihre Männer nicht im letzten Augenblick hinzugekommen wären, und gab Melrem die Schuld daran, weil er Caiwen nicht an Bord der Annaha halten konnte.«
»Der Angriff der Nachmahre war wirklich nicht ohne«, räumte Durin ein, wechselte dann aber das Thema, indem er fragte: »Hast du herausbekommen können, wo Caiwen jetzt ist?«
»Nicht direkt. Das Einzige, was uns vielleicht weiterhelfen könnte, ist etwas, was Melrem gesagt hat. Er meinte: ›Wie auch immer, das alles gehört der Vergangenheit an. Caiwen ist auf dem Weg. Wir können nur hoffen, dass diesmal nicht wieder ein Sturm aufzieht, der unsere Pläne zunichtemacht.‹ Könnt ihr irgendwas damit anfangen?«
»Bei den Göttern!«, stieß Finearfin hervor.
»Verdammt!« Durin schaute Saphrax an. »Haben sie noch etwas gesagt? Von einem Schiff, von Nimeye oder der Feuerinsel?«
»Hm.« Saphrax legte den Kopf schief und schien zu überlegen. »Nein... oder doch. Die Alte erwähnte noch irgendwas von einem Borax, der unterwegs zu Nimeye sei.«
»Die Annaha !«, riefen Finearfin und Durin wie aus einem Munde. »Wir müssen...«
»... zum Hafen!« Durin bückte sich, reichte Heylon die Hand und half ihm, wieder auf die Beine zu kommen. »Komm, Junge«, sagte er ohne jeden Groll in der Stimme. »Wenn du noch etwas für deine Freundin tun willst, müssen wir uns beeilen.«
Wenig später erreichten sie die Kaimauer, an der mehr als ein Dutzend große und kleine Segler vertäut lagen. Heylons Herz raste, und er hatte das Gefühl, als stäche ihm ein Messer in die Seite. Erschöpft blieb er stehen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während Finearfin und Durin den Blick über die Masten und Segel schweifen ließen.
»Hier bin ich das letzte Mal an Bord der Annaha gegangen.« Durin verzog schmerzhaft das Gesicht, sog die Luft scharf durch die Zähne und richtete das Wort direkt an Finearfin, der man die Anstrengung des Laufens überhaupt nicht anmerkte. »Kannst du sie sehen?«
»Nein.« Finearfin schüttelte den Kopf. »Vielleicht liegt sie diesmal am anderen Ende des Hafens.«
»Soweit ich weiß, hat die Annaha hier ihren festen Liegeplatz.«
»Wir sollten trotzdem nachsehen.«
»Also ich bewege mich kein Stück mehr.« Durin deutete auf sein verletztes Bein. »Ich möchte nicht riskieren, dass die Wunde wieder aufreißt.«
»Ihr könnt hier warten.« Saphrax hatte Schutz zwischen einigen Holzkisten gesucht und kam nun als Raubmöwe angeflattert. »Ich sehe schnell nach.«
»Dein Haustier gefällt mir immer besser.« Obwohl Finearfin lächelte, war ihr die Anspannung deutlich anzusehen.
Die Zeit tröpfelte dahin, während sie beieinanderstanden und auf Saphrax’ Rückkehr warteten. Durin hatte sich auf eine Kiste gesetzt und unterzog seine Verletzungen einer kurzen Kontrolle, während Finearfin den Blick nicht von den
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