Das Vermächtnis der Feuerelfen
die Richtung, aus der die Stimme kam, konnte aber nichts erkennen.
»Ich sehe nach!« Durin nahm die Hand fort und verschwand. »Verdammt, Junge! Das sieht nicht gut aus!«, rief er kurz darauf. »Nicht bewegen!«
Steine polterten und Finearfin hörte Heylon wimmern. Sehen konnte sie immer noch nichts. »Was ist mit ihm?«, rief sie Durin zu, erhielt aber keine Antwort.
Als der Staub sich legte, sah sie Durin und Heylon näher kommen. Der Kopfgeldjäger stützte den Jungen. »Heylon wurde von Trümmern getroffen«, erklärte er knapp. »Sein Bein ist verletzt.«
»Das Bein ist nicht wichtig.« Heylon deutete hustend auf den Durchlass. »Kümmert euch nicht um mich. Ihr müsst Caiwen suchen und ihr helfen.«
»Das ist unmöglich, Junge«, meinte Durin bedauernd. »Der Tunnel ist eingestürzt.«
»Dann gibt es nur eines.« Finearfin hob den Leichnam des Schwarzen vom Boden auf und wies mit einem Kopfnicken zum Ausgang, durch den noch immer unzählige Elfen flohen. »Wir müssen hier raus.«
»Da sind wir endlich mal einer Meinung.« Durin nickte grimmig. »Aber der Schwarze bleibt hier.«
»Du hast mir keine Befehle zu erteilen!« Finearfin war bereits auf dem Weg zum Ausgang. »Ich treffe meine Entscheidungen immer noch selbst.«
»Er ist tot!« Durin gab ein ärgerliches Schnauben von sich und eilte ihr nach. »Weißt du nicht mehr, wie schmal der Pfad da draußen ist?«, fragte er aufgebracht, als er sie eingeholt hatte. »Und
die vielen Flüchtenden. Siehst du nicht, wie sie sich drängen? Du kannst unmöglich einen Toten da mitten hindurch...«
»Kümmere du dich um Heylon«, erwiderte Finearfin kühl, ohne sich umzudrehen. »Ich habe dem Schwarzen versprochen, ihn hier herauszubringen, und ich werde mein Versprechen halten.«
DER ROTE KRISTALL
N imeye!« Caiwen starrte ihre Großmutter an.
»Es überrascht mich, dich hier zu sehen.« Nimeye kam näher. »Ich war überzeugt, dass du zuerst nach der Schlangenkriegerin suchen würdest.« Ihre Miene verfinsterte sich, und ihre Stimme gewann an Schärfe, als sie fragte: »Wer hat dir von dem Kelch erzählt?«
»Ist das nicht gleichgültig?« Caiwen wich so weit zurück, dass sie das Glas der Vitrine unter den Fingern spüren konnte. »Du hast mich belogen«, presste sie mit mühsam unterdrückter Wut hervor. »Und nicht nur das. Heimtückisch hast du mich deinem Willen unterworfen und zu deinem Werkzeug gemacht. Ich verabscheue dich!«
»Ach, das...« Auf Nimeyes Lippen zeigte sich ein dünnes Lächeln, während der Boden erneut von einem Beben erschüttert wurde. »Na gut, ich gebe zu, der Zauber war ein Trick, aber ich habe dich zu nichts gezwungen, was du früher oder später nicht auch freiwillig getan hättest. Ich habe es lediglich etwas beschleunigt. Was hättest du schon gegen mich ausrichten können? Die Statue stehlen? Verschwendete Mühe. Sie wäre nicht lange in deinem Besitz geblieben, denn du hättest die Insel nicht verlassen können. Den Kelch zerstören?« Sie schüttelte lachend den Kopf. »Ich bin sicher, du hast bereits bemerkt, dass du niemals an
ihn herankommen wirst. Hitze und Feuer mögen dir nichts anhaben können. Aber die Vitrine, die ihn umgibt, kannst du nicht öffnen.«
»Du lügst!«, rief Caiwen aus. »Ich hätte dir niemals geholfen, den Bann zu lösen.« Wieder erschütterte ein Beben die Höhle. Diesmal so heftig, dass sie sich an der Vitrine festhalten musste, um nicht zu stürzen. »Ich hätte niemals verraten, wofür meine Mutter gestorben ist.«
»Mit diesem Niemals wäre ich an deiner Stelle sehr vorsichtig.« Nimeye kam näher und hob die Hände auf unheilvolle Weise, unwillkürlich zuckte Caiwen zusammen. »Du weißt es vielleicht nicht, aber ich war nachsichtig mit dir. Sehr nachsichtig«, sagte sie gefährlich leise. »Du bist von meinem Blut. Die Letzte aus dem Geschlecht der Hohepriesterinnen. Ich wollte nicht, dass du leidest, aber die Zeit drängte. Mit anderen wäre ich nicht so milde umgegangen.«
»Milde?« Caiwen spie Nimeye das Wort entgegen, als hätte es einen bitteren Beigeschmack. »Du weißt doch gar nicht, was das ist. Du hast meine Mutter umgebracht. Deine Tochter.«
»Elethiriel hat mich verraten!« Nimeye gab ihre zur Schau getragene Gelassenheit auf. »Sie und dieser Bastard von König haben Leiden über uns gebracht, für die es keine Beschreibung gibt. Sie haben...«
Ein heftiges Dröhnen und Rumoren aus dem Innern des Berges übertönte ihre Worte und ließ die Höhle erzittern.
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