Das Vermächtnis der Feuerelfen
Steine lösten sich von der Decke und zerschellten krachend auf dem Boden, während die Feuersäule immer gewaltiger wurde. Caiwen duckte sich instinktiv, obwohl sie wusste, dass sie hier nirgends Schutz finden würde.
»Du fürchtest dich?« Nimeyes Lachen übertönte das Brüllen der Flammen, als das Grollen des Berges nachließ. »Du fürchtest dich nicht genug. Dein Vater glaubte, er hätte mich vernichtet, indem er die Kraft des Vulkans entfesselte, aber er hat sich geirrt.
Wenn es diese Insel nicht mehr gibt, wird es auch keinen Bann mehr geben, der mich an diesen Ort bindet. Dann gibt es nichts mehr, was mich davon abhalten kann, meinen Siegeszug ins Zweistromland anzutreten und alles zu zermalmen, was sich mir in den Weg stellt, wenn...«
»... du das hier überlebst.« Caiwen griff den Widerspruch in den Worten ihre Großmutter auf, um Zeit zu gewinnen. »Aber selbst wenn du lebend hier herauskommst, hast du keine Getreuen mehr, die an deiner Seite kämpfen.«
»Die Feuerelfen kümmern mich nicht! Sie sind entbehrlich.« Nimeye schien sich ihrer Überlegenheit so sicher zu sein, dass sie Caiwen selbst ihre geheimsten Gedanken verriet. »Sie waren schon immer entbehrlich. Ich brauchte sie, um hier zu überleben, bis alles bereit ist, aber jetzt nicht mehr.« Sie lächelte kalt und sprach wieder ganz ruhig, als sie hinzufügte: »Wärst du nicht gekommen, hätte ich den Berg schon sehr bald selbst zerstört. Es ist immer gut, einen zweiten Plan zu haben.«
»Du bist ja verrückt.« Caiwen konnte nicht glauben, was sie da hörte. »Glaubst du wirklich, deine Verbündeten jenseits des Feuers werden dich als ihre Herrscherin anerkennen, wenn sie erst einmal freigelassen wurden? Spürst du nicht den Hass und die Verachtung, die in den Flammen mitschwingen?«
»Natürlich spüre ich es. Es war schließlich der Grund dafür, dass ich sie erwählt habe. Deine Sorge ehrt dich, aber das sollte dich nun wirklich nicht kümmern, denn du wirst diese Höhle nicht lebend verlassen. Nicht mehr lange, und die Feuerinsel ist Geschichte«, stieß Nimeye siegesgewiss hervor. »Was du mir verweigert hast, hat dein Vater, dieser Narr, mir geschenkt und damit gleichzeitig dein Todesurteil gesprochen. Du bist nun ebenso entbehrlich wie alle anderen hier. Aber ich werde nicht warten, bis du dein Leben in den feurigen Fluten aushauchst. Ich werde es selbst zu Ende bringen. Und nun spüre, wie es deinem Vater ergangen ist. Erkenne, wie es ist zu sterben!« Ihre Hände zuckten
vor und Caiwen sah ein Bündel aus Blitzen auf sich zuschießen...
Die Zeit verlor jede Bedeutung, während Caiwen das tödliche Licht unendlich langsam auf sich zukommen sah. Sie duckte sich, wusste aber im gleichen Augenblick, dass sie in der Falle saß. Die Geräusche aus der Höhle erreichten sie nur verzerrt. Das Brüllen der Flammensäule mischte sich mit dem Grollen des Berges zu einem dumpfen Rumoren, als sich der Vulkan jäh wie ein gefangenes Tier aufbäumte und Caiwen von den Füßen riss.
Im Fallen sah sie, dass auch Nimeye stürzte. Das Bündel aus Blitzen änderte die Richtung, fuhr zuckend in die Höhe und schlug krachend in einen Felsvorsprung über der Vitrine ein. Mit einem Knirschen, das an splitterndes Eis erinnerte, schoss ein gewaltiger Riss durch den Felsen und trennte den gesamten Vorsprung von der Höhlendecke.
Caiwen stockte der Atem, als sie die Gefahr erkannte. Instinktiv rollte sie zur Seite, krümmte sich zusammen und hielt die Arme schützend vors Gesicht. Keinen Augenblick zu früh. Sie hatte die Bewegung noch nicht vollendet, als der Felsen mit Urgewalt auf die Vitrine krachte. Die Wucht des Aufpralls ließ Steine und Glasscherben wie Geschosse durch die Höhle fliegen. Caiwen spürte einen beißenden Schmerz, als einige der Splitter ihr die Haut aufschlitzten, wagte aber nicht, sich zu bewegen. Erst als des Klirren und Klacken ein Ende fand, hob sie vorsichtig den Kopf.
Die Höhle glich einem Trümmerfeld. Nimeye lag am Boden. Ihr Körper war mit unzähligen Schnittwunden übersät, aus denen Blut rann. Sie atmete schwach und rührte sich nicht.
Keuchend rappelte Caiwen sich auf. Sie empfand weder Mitleid für Nimeye, noch verspürte sie den Wunsch, ihr zu Hilfe zu eilen. Ihr einziger Gedanke galt dem Blutkelch, der irgendwo unter den Steinen begraben sein musste. Die Vitrine war zerstört.
Tausende winziger Glasstückchen, die sich überall in der Höhle verteilt hatten, ließen daran keinen Zweifel.
Und wenn
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