Das Vermächtnis der Feuerelfen
schien.
Caiwen gebärdete sich wie ein gefangenes Tier, aber der Zauber war zu stark. Es gab kein Entkommen.
Da bemerkte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung im Durchlass zu den Höhlen. Im ersten Moment glaubte sie an eine besonders dichte Rauchwolke, dann erkannte sie den Irrtum. Aus
Feuer und Rauch tauchte ein zottiger Hund mit schwelendem Fell auf, der etwas Helles im Maul trug und sich, kaum dass er den Tunnel verlassen hatte, blitzartig in einen riesigen Nachtmahr verwandelte.
Saphrax!
Caiwen traute ihren Augen nicht. Ohne sie anzusehen, stürmte das Wechselwesen auf Nimeye zu. Diese schien so in das Ritual vertieft, dass sie die Gefahr zunächst nicht erkannte. Und dann war es zu spät.
Ein zorniger Schrei drang aus Saphrax’ Kehle und marterte Caiwens Ohren, als er seine Last fallen ließ und sich mit der ganzen Wucht seines massigen Körpers gegen die Hohepriesterin warf. Dem ungeheuren Gewicht des Wechselwesens hatte Nimeye nichts entgegenzusetzen.
Für einen kurzen, aber auch schrecklich langen Moment sah Caiwen Nimeye und Saphrax am Abgrund stehen, wie zwei Liebende im Todeskampf eng umschlungen, ehe sie gemeinsam in die Tiefe stürzten.
Das alles kam so überraschend und ging so schnell, dass Caiwen es zunächst nicht glauben konnte. Nur Bruchteile eines Wimpernschlags später konnte sie sich wieder bewegen. Fassungslos trat sie an den Abgrund und spähte in die Tiefe - vergeblich. Die Glut hatte Saphrax und Nimeye verschlungen.
»Saphrax!« Das Wort kam Caiwen so leise über die Lippen, dass sie es über das Lärmen des Vulkans selbst kaum verstand. Sie hatte das Wechselwesen nicht gut genug gekannt, um wirkliche Trauer zu empfinden, aber gerade das war es, was sein Opfer so überwältigend machte. Selbstlos hatte Saphrax sein Leben gegeben, um sie zu retten - für eine Fremde! Für eine Fremde, die eigentlich sein Feind hätte sein müssen.
Caiwen schluckte trocken. Ein heißer Wind stieg von unten auf, strich wie eine glühende Hand über ihre Haut und zwang sie zurückzuweichen. Ihr blieb keine Zeit. Als sie nach oben blickte,
erkannte sie, dass auch die letzten Elfen fort waren. Sie war allein und die Gesteinsmassen stiegen immer schneller.
Caiwen machte sich nichts vor, obwohl der Ausgang nicht mehr weit entfernt schien, standen ihre Chancen erbärmlich schlecht, den Schlund lebend zu verlassen.
Nein, dachte sie. Ich werde nicht aufgeben. Entschlossen ballte sie die Fäuste und wollte gerade loslaufen, als ihr Blick auf den Gegenstand fiel, den Saphrax aus den Höhlen mitgebracht hatte. Er war etwa zwei Handspannen lang, verrußt und schmutzig, aber als Caiwen sich bückte, um ihn aufzuheben, erkannte sie, dass es eine fein gearbeitete silberne Statue war. Sie zeigte eine Elfenkriegerin mit Schwert und Schild, die das Schwert in einer drohend-abwehrenden Geste erhoben hatte. Ein Helm schützte ihren Kopf, Brustpanzer und Armschienen ihren Körper. Unterleib und Beine waren wie der Körper einer Schlange gearbeitet, der sich am Fuß der Figur viermal um sich selbst wand und ihr einen sicheren Stand verlieh.
Die Schlangenkriegerin!
Caiwen spürte, wie ihr Tränen der Freude in die Augen stiegen. Saphrax hatte ihr nicht nur das Leben gerettet, er hatte auch die Statue aus den brennenden Höhlen geholt. Es war unglaublich. Er, ein Wesen aus der Welt, gegen die sich die Magie der Statue richtete, hatte alles aufs Spiel gesetzt, um sie wiederzubeschaffen - für Tamoyen und das Zweistromland.
»Saphrax!« Caiwen schluchzte auf und presste die Wächterstatue an sich. Sie konnte sich bei dem kleinen Helden nicht mehr bedanken, aber sie konnte seinem Opfer einen Sinn geben …
Caiwens Gedanken waren bei Saphrax, als sie die Schlangenkriegerin in die Fetzen ihres Gewandes steckte, sich schleppend in Bewegung setzte und schließlich zu laufen begann. Höher, immer höher, Schritt für Schritt, die brodelnde Glut dicht hinter sich wissend. Schmerz und Hitze ließen ihr Tränen über die Wangen
rinnen, während sie halb blind den Pfad hinaufhetzte, der zum Ausgang führte. Sie konnte nicht mehr atmen. Die ungeheure Hitze hatte ihre Kehle verbrannt, der beißende Rauch ihre Lungen vergiftet.Allein der Wille war es, der sie noch auf den Beinen hielt und sie weitertaumeln ließ.
»Ich wusste, dass du es schaffst. Ich wusste es.« Den dunklen Punkt, der ihr vom Ausgang entgegeneilte, nahm Caiwen nur als verschwommenen Schatten wahr. Die Stimme erreichte ihre Ohren nur verzerrt in einer Welt,
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