Das Vermächtnis der Feuerelfen
Gesicht in den Händen. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich schon einmal so elend gefühlt zu haben. Wenn doch nur der Kopfschmerz endlich nachlassen würde. »Ich wollte dich nicht kränken. Dich trifft keine Schuld.«
»Ah, da ist ja immer noch ein Gast.« Ein Schatten fiel auf den Tisch, als die Frau, die am Abend in der Taverne bedient hatte, neben Durin trat. »Deine Gefährtin ist schon lange fort«, erklärte sie mit einer Spur von Bedauern in der rauen Stimme und trat nach der Katze, die fauchend zur Tür sauste. »Sie hat noch versucht, dich zu wecken, aber du hast geschlafen wie ein Bär.«
»Hat sie gesagt, wohin sie geht?«, erkundigte sich Durin. »Oder eine Nachricht für mich hinterlassen?«
»Wenn ihr nichts ausgemacht habt, kann ich dir auch nicht helfen«, erwiderte die Frau. »Die Elfe ging ohne ein Wort des Abschieds.«
»Verdammt.« Durin ließ die Faust auf den Tisch krachen und starrte zur Tür, wo Saphrax es sich auf der Schwelle bequem gemacht hatte. »Dann wird wohl nichts aus dem Auftrag«, murmelte er missmutig vor sich hin.
»Warte.« Die Frau hob nachdenklich eine Hand ans Kinn. »Vielleicht kann ich dir doch helfen.«
Durin sah die Frau an. »Was weißt du?«
»Viel ist es nicht. Die Elfe schien sehr interessiert an einem
Mann, den wir den Schwarzen nennen. Er taucht immer dann am Hafen auf, wenn Schiffe draußen auf das Riff gelaufen sind und es tote Seeleute zu beklagen gibt. Sie hofft wohl, von ihm etwas über die Elfenpriesterin und ihr Kind zu erfahren, die vor fünfzehn Wintern verschollen sind.«
»Sie sucht nach einem Kind?« Durin horchte auf. Auch er sollte nach einem Kind suchen. So viel wusste er bereits über seinen neuen Auftrag.
»Nach der Elfenpriesterin und ihrem Kind«, korrigierte die Frau. »Wenn du mehr wissen willst, musst du sie schon selbst fragen.«
»Das mache ich.« Durin versuchte, nicht auf den hämmernden Kopfschmerz zu achten, und stand auf. »Wo kann ich diesen Schwarzen finden?«
»Das ist nicht so leicht.« Die Frau seufzte. »Er ist ein Einzelgänger und hält sich mal hier und mal dort auf. Am Hafen sind die Seevögel immer bei ihm. Halte am besten nach einem Schwarm Möwen Ausschau, dann findest du ihn am schnellsten.«
»Danke.« Durin hüllte sich in seinen Mantel, setzte den Hut auf und nahm sein Gepäck zur Hand. Er verabschiedete sich, indem er der Frau höflich zunickte, und verließ die Taverne.
Draußen lag dicker Schnee. Das reine Weiß, Zeichen eines letzten Aufbäumens des Winters, bedeckte Unrat und Abfallhaufen und ließ den Hafen frisch und sauber erscheinen. Ein Eindruck, der nicht lange halten würde. Schon ließ die aufgehende Vorfrühlingssonne den Schnee auf den Dächern schmelzen, während Pferde- und Ochsenkarren ein Übriges taten, um Straßen und Gassen in Schlammlandschaften zu verwandeln.
»Ein Dämon soll sie holen«, hörte er Saphrax wütend neben sich murmeln.
»Schlechte Laune?« Unschlüssig, wohin er sich wenden sollte, blickte Durin die Straßen entlang.
»Sie hat mich getreten«, empörte sich Saphrax.
»Dann mag sie wohl keine Katzen.« Durin entschied sich, der Kaimauer nach Norden zu folgen. »Kommst du mit?«
Mit einem Satz war Saphrax auf seinem Arm. »Kann losgehen«, schnurrte er.
Aber Durin dachte gar nicht daran, das Wechselwesen zu tragen. »Nichts da, du läufst«, raunte er der Katze zu, während er sie wieder auf den Boden setzte.
»Durch den Schnee?«, fragte Saphrax entrüstet. »Bist du verrückt? Da werden doch meine Pfoten nass.«
»Meine Füße werden auch nass.« Durin ließ sich nicht beirren.
»Einen Moment.« Mit wenigen Sätzen war Saphrax in einer Lücke zwischen den Hütten verschwunden. Es dauert nicht lange, da kehrte er in Gestalt eines zottigen Wolfshundes zurück. »Ich bin so weit.«
»Na dann los.« Durin wandte sich nach rechts und wollte gerade losgehen, als ihm jemand von hinten die Hand auf die Schulter legte. »Warte!«
Mit einer Geschicklichkeit, die sein Alter Lügen strafte, wirbelte Durin herum und setzte dem Fremden ein Messer an die Kehle, ehe dieser auch nur einen Laut hervorbringen konnte. Er war etwas kleiner als Durin und trug einen langen moosgrünen Umhang mit weiter Kapuze, die sein Gesicht fast völlig verdeckte. »Sei froh, dass ich heute gute Laune habe«, zischte Durin ihm drohend ins Ohr. »Sonst wärst du jetzt tot.«
»Sei froh, dass ich dich nicht töten wollte«, kam die furchtlose Antwort aus den Tiefen der Kapuze. »Sonst
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