Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
ließ. Es hatte ihn all seine Kraft gekostet, ihn bis hierher zu bringen. Jetzt konnte er nicht mehr weiter. Er kniete schwer atmend am Boden, unfähig, aufzustehen und auch nur einen einzigen Schritt zu tun.
Als er das nächste Mal aufsah, erblickte er Larenia, die auf ihn zukam. Falls sie erschrocken war, ließ sie es sich nicht anmerken. Mit einem kurzen Blick erfasste sie die Situation und kniete sich mit ernstem, gefasstem Gesicht neben ihn.
„Ich … ich konnte nichts tun“, stammelte Philipe, „ich kam zu spät. Warum nur haben sie ihn angegriffen? Ausgerechnet Felicius?“, er sah Larenia wirr und hysterisch an. „Und warum habe ich es nicht eher gesehen? Ich hätte es verhindern können …“
„Philipe …“
Er reagierte nicht. Larenia drehte sich um und sah Arthenius mit weit aufgerissenen Augen und blassem Gesicht hinter sich stehen und auf seinen Bruder herabstarren. Dann blickte sie wieder zu Philipe, der noch immer stotternd dahockte.
„Hör auf damit, Philipe! Hysterie hilft niemandem“, sie sprach in einem eisigen, schneidenden Tonfall, den sie nie zuvor gegen ein anderes Gildemitglied eingesetzt hatte, „steh auf und trage ihn hinein. Arthenius, hilf ihm!“
Beide befolgten ihren Befehl automatisch. Und so sahen sie nicht, dass Larenia stehen blieb. Sie lehnte sich an das Treppengeländer und schüttelte den Kopf, als müsse sie wieder Klarheit in ihre Gedanken bringen. Anders als Philipe und Arthenius war sie weder entsetzt noch hysterisch und sie wusste genau, was geschehen musste. Doch das erschreckte sie. Keiner der anderen besaß Heilfähigkeiten und Felicius würde sterben, wenn sie nicht schnell handelte. Aber sie fürchtete die Nähe, die dafür notwendig war, jedes Gefühl, jeden Gedanken zu teilen, und die Erschöpfung. Sie würden ungeschützt und angreifbar sein in dieser Nacht. Aber welche Wahl hatte sie?
Jahrelange Gewohnheit und Disziplin ermöglichten es ihr, mit ruhigem, ausdruckslosem Gesicht den Zauberturm zu betreten. Nicht einmal Arthenius hätte ihre Gedanken jetzt erraten können. Sie schloss die Tür hinter sich und blickte von einem zum anderen. Philipe wirkte inzwischen wieder beherrscht, aber Arthenius sah sie an, als könne er nicht begreifen, was geschehen war. Sie schickte ihn los, um Philipus zu suchen.
„Willst du denn nichts tun?“, bis zu diesem Augenblick hatte Philipe geglaubt, Larenia könne alles mit einer einzigen Handbewegung ungeschehen machen. Er hatte sich an diesen Gedanken geklammert, und dass sie jetzt zögerte, brachte ihn zur Verzweiflung.
„Natürlich, aber deshalb kann ich nicht unser aller Leben riskieren. Hierfür“, sie bewegte ihre Hand in Felicius’ Richtung, „brauche ich sehr viel Kraft, sodass ich den Schutzschild nicht länger aufrechterhalten kann. Dafür brauche ich Philipus’ Hilfe.“
Zum ersten Mal seit seiner Ankunft sah Philipe sie wirklich an. Sie wirkte so müde, als habe sie die letzten zehn Nächte nicht geschlafen, wahrscheinlich hatte sie das auch nicht, und es tat ihm leid, dass er an ihr gezweifelt hatte. Aber die Sorge um Felicius beherrschte seine Gedanken und so wandte er sich ab, unfähig, eine Entschuldigung zu murmeln.
Larenia sah ihn noch einen Augenblick lang an, dann setzte sie sich in der ihr eigenen konzentrierten Haltung auf den Boden. Mit geschlossenen Augen kontrollierte sie Felicius’ Atmung und Kreislauf und versuchte, das Ausmaß seiner Verletzungen festzustellen. In diesem Moment kam Arthenius zurück, dicht gefolgt von Philipus. Dieser blickte, gefasst wie gewöhnlich, von Felicius zu Larenia. Als sie sich schließlich zu ihm umdrehte, schüttelte er bedauernd den Kopf: „Ich weiß zwar, wie es funktioniert, aber ich kann dir dabei nicht helfen. Mir fehlt die Kraft, um derartige Verletzungen zu heilen. Du musst hiermit“, er deutete auf das gefiederte Ende des Pfeils, der noch immer zwischen Felicius’ Rippen steckte, „sehr vorsichtig sein, denn die Pfeilspitze sitzt nah am Herzen und ein paar der größeren Blutgefäße sind verletzt. Ich werde mich um den Schutzschild von Magiara kümmern“, er sah sie mit seinem seltenen, ermutigenden Lächeln an, dann blickte er über ihren Kopf hinweg zu Arthenius, „sei bereit, uns abzuschirmen, falls …“ … falls Larenia die Kontrolle verliert. Er sprach es nicht laut aus, aber sie alle nahmen diesen Gedanken deutlich war. Arthenius antwortete mit einem kurzen Nicken, bevor er seinen Blick auf Larenia richtete.
Sie war
Weitere Kostenlose Bücher