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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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hatte das Logis verwundert, doch er hatte zuvor nicht darüber nachgedacht. Dazu kam, dass nicht einmal er mit all seiner Erfahrung den Anforderungen dieser Stellung gewachsen war. Daher hatte er angenommen, der junge Prinz sei froh, diese Verantwortung nicht länger tragen zu müssen. Offensichtlich hatte er Julius unrecht getan.
    Logis ging weiter. Er öffnete die schwere Palasttür und trat in die eisige Nacht hinaus. Nach kurzem Zögern folgte ihm Julius. Schweigend überquerten sie den Hof des Schlosses. Niemand war zu sehen, was nicht weiter verwunderlich war bei den frostigen Temperaturen. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, sonst war kein Geräusch zu hören. Es war eine sternenklare Nacht und der Mond schien so hell, dass sie auch ohne das spärliche Licht der vereinzelten Fackeln ihren Weg gefunden hätten. Sie ließen den Palast hinter sich und bogen in eine kleine, verlassene und vernachlässigte Straße. Hier lag der Schnee kniehoch. Logis lief schnell und scheinbar mühelos voran. Julius staunte über die Kondition des älteren Mannes. Er selbst stapfte keuchend hinterher und er war sehr erleichtert, als sie eine große, freigeräumte Straße erreichten. Hier gelang es ihm, Logis wieder einzuholen. Gemeinsam gingen sie weiter bergab. Nach einer Weile brach Logis das Schweigen: „Wie kann ich dir helfen, Julius? Was erwartest du von mir?“
    Julius zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht“, und als Logis nicht reagierte, fuhr er fort, „es ist nur so, dass ich mit meinem Vater nicht sprechen kann, ohne ihn gleichzeitig zu beleidigen. Und wen sollte ich sonst fragen?“
    Der Arianer-Fürst drehte sich zu ihm um. Im bleichen Mondlicht wirkte sein Gesicht noch heller als gewöhnlich.
    „Das ist dein Problem: Du weißt nicht, was du willst.“
    „Das verstehe ich nicht“, verständnislos sah Julius ihn an.
    Sie bogen in eine weitere Seitenstraße, in der aber eine schmale Gasse freigeschaufelt war. In dieser Straße, erinnerte sich Julius, stand Logis’ Haus.
    „Hast du auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, was du mit deinem Leben anfangen willst?“
    „Warum hätte ich das tun sollen? Es stand doch alles fest“, der junge Prinz verstand den Sinn von Logis’ Frage nicht. Sicher, als Kind hatte er sich oft überlegt, wie es sein würde, nicht der Sohn eines Königs, sondern Soldat, Seeräuber oder Waldläufer zu sein. Aber das alles erschien ihm unendlich weit entfernt und Logis hatte wahrscheinlich etwas anderes gemeint.
    In diesem Augenblick erreichten sie Logis’ Stadthaus. Froh, ihr Ziel erreicht zu haben, trat Julius hinter seinem Freund ein. Im Inneren war es dunkel, aber angenehm warm und im Kamin brannte ein kleines Feuer. Sie hängten ihre Mäntel auf und stellten die nassen Schuhe zum Trocknen vor die Feuerstelle. Von Elaine war keine Spur zu sehen. Wahrscheinlich schlief sie schon.
    Julius ließ sich in einen der bequemen Sessel sinken und Logis setzte sich ihm gegenüber. Er streckte die Beine aus und sah Julius aufmerksam an. Dieser Blick erinnerte den jungen Prinzen stark an die Gildemitglieder und plötzlich, ohne dass er sagen konnte, warum, ärgerte es ihn. Er wollte nicht länger auf diese Weise betrachtet werden, als wäre er nicht mehr als ein interessantes Objekt. Aber dann seufzte er und lehnte sich zurück. Er war ungerecht. Immerhin hatte er sich selbst an Logis gewandt und dieser gab sich alle Mühe, ihm zu helfen. Er war einfach zu empfindlich in letzter Zeit. Nachdem er einige Zeit gedankenverloren in die Flammen gestarrt hatte, nahm er ihr Gespräch wieder auf: „Ich werde nach meinem Vater Anoria regieren, das steht schon lange fest. Und nichts, das ich wünsche oder nicht wünsche, wird das ändern. Worüber also sollte ich nachdenken?“
    Logis lächelte: „Für die meisten ist die Zukunft ungewiss. So war es bei Julien und mir und so ist es auch für Elaine, Linda und all deine Freunde. Ich glaube, sie beneiden dich um diese Gewissheit.“
    Julius ließ beschämt den Kopf hängen. So hatte er es nie gesehen. Stattdessen hatte er sich eingesperrt gefühlt. Früher hatte er stets versucht, so wenig wie möglich zu tun und auf diese Weise zu rebellieren. Wahrscheinlich hatte das seinen Vater dazu gebracht, ihn aus allem herauszuhalten.
    „Aber das habe ich nicht gemeint“, Logis’ ruhige, freundliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, „wie willst du dein Land regieren? Was willst du erreichen? Es ist ein Unterschied, ob du eine Aufgabe

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