Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
besorgt gewesen, und ich hatte mich gefreut, als Felicius alle Warnungen ignorierte und mit uns kam. Wie hatte ich nur so leichtfertig sein können. Felicius, ausgerechnet Felicius, jetzt daliegen zu sehen, mehr tot als lebendig, verletzt durch jene Waffen, die er sich stets geweigert hatte, anzufassen, war ein Schock. Jede Illusion, die ich noch über die Gerechtigkeit in unserer Welt gehabt hatte, verflüchtigte sich in diesem Augenblick und ebenso die Euphorie, die ich seit meinem Wiedersehen mit Elaine empfunden hatte. Was hatte ich falsch gemacht? Warum nur endete alles, was ich begann, in einem Desaster? Noch vor einem halben Jahr war ich so glücklich gewesen. Und nun? Ich war kaum mehr als ein lästiges Anhängsel, jemand, dem man im besten Fall ein paar einfache Aufgaben übertragen konnte. Dieser Gedanke war bitter und noch mehr schmerzte es, dass es meine eigene Schuld war. Ich hatte niemals mehr als nötig getan, mich an meiner gesellschaftlichen Stellung erfreut und die Verantwortung, die damit einherging, geflissentlich übersehen.
Jetzt jedoch erinnerte ich mich an meine Pflicht. Ich folgte den Flüchtlingen und stellte fest, dass sie alle gerettet waren. Die Waldläufer würden sie in ein sicheres Versteck bringen. Dann kehrte ich nach Askana zurück und am nächsten Tag brach ich zusammen mit Elaine in Richtung Arida auf. So erreichten wir fünf Tage nach dem Angriff die Stadt der Könige. Es war der siebzehnte Tag des Monats.
Solange ich zusammen mit Elaine durch das Land ritt, war ich beinahe glücklich, doch sobald wir ankamen, holte mich die Wirklichkeit und damit das Gefühl der Überflüssigkeit ein. Ich dachte an meinen Vater, der in meinem Alter bereits König gewesen war. Auch damals hatte es Unruhen und Probleme in Anoria gegeben, da der Clan der Firanier nach mehr Macht und Einfluss gestrebt hatte. Dieser Streit war durch die Heirat von Patricia und Julien beendet worden.
Dann ging ich am frühen Abend durch die verlassenen Straßen der Stadt und überlegte, wie anders mein Leben aussah. Julien hatte mich von allen Gefahren ferngehalten und bis heute war ich froh darüber gewesen. Doch jetzt fühlte ich mich ausgeschlossen. Ich wusste nicht, was geschehen würde, und obwohl ich mich Heerführer nannte, konnte ich keinerlei Entscheidungen treffen, die jemandem von Nutzen waren. Von allein würde Julien mir nichts sagen. Es lag an mir, meine Rolle innerhalb meines Landes zu übernehmen, und ich konnte von niemandem erwarten, dass er mich an die Hand nahm und mir den Weg zeigte. Ich hatte lange Zeit gebraucht, um das zu begreifen.
„Logis?“
Der Arianer-Fürst drehte sich überrascht um. Es war später Abend und er war auf dem Weg zu seinem Haus im verlassenen Villenviertel Aridas. Wer konnte zu dieser Zeit noch etwas von ihm wollen? Aber dann erkannte er Julius, der zögernd hinter einer Säule hervortrat, und so blieb er stehen.
„Was ist geschehen? Du siehst so niedergeschlagen aus, Julius“, eigentlich würde es deprimiert eher treffen, dachte Logis, als er den jungen Mann jetzt genauer ansah. Bereits seit seiner Rückkehr aus Askana vor sieben Tagen lief er mit bedrücktem, in sich gekehrtem Gesichtsausdruck umher. Dabei sollte er glücklich sein, da Elaine wieder in seiner Nähe war. Jetzt zuckte er mit den Schultern und man sah deutlich, dass er nicht wusste, wie er beginnen sollte.
„Es ist nichts von Bedeutung, nur …“, er unterbrach sich und suchte einen Moment lang nach Worten, bevor er weitersprach, „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Niemand erzählt mir etwas über unsere Pläne und ich habe das Gefühl, mein Vater hält jede wichtige Aufgabe, beinahe den ganzen Krieg, von mir fern. Ich bin der oberste Heerführer, doch alles, was ich bisher getan habe, hat mehr Schwierigkeiten hervorgerufen oder ich habe nur danebengestanden und zugeschaut.“
Er ließ den Kopf hängen. Wie sollte er nur seine Gedanken richtig ausdrücken? Schließlich sagte er: „Ich weiß, dass mein Vater mich nur beschützen will. Aber er war in meinem Alter schon König. Und ich könnte nicht einmal unser Volk am Leben halten. Ich wüsste einfach nicht, wie“, leiser fügte er hinzu, „ich fühle mich so ausgeschlossen. Immerhin ist Anoria auch meine Heimat, aber ich kann nichts tun, um mein Land zu verteidigen.“
Logis seufzte. Er konnte Julius nicht widersprechen. Seitdem er aus Ariana zurückgekehrt war, hatte er mehr oder weniger Julius’ Position eingenommen. Natürlich
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