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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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Händen zurück.“
    Der Soldat nickte mit einem schwachen Lächeln.
    In diesem Moment wurde die Tür aufgebrochen. Schwarz gekleidete Soldaten drangen in den Raum. Als Letzter kam ein Offizier, der die Anwesenden musterte. Zuletzt wandte er sich an Julien.
    „Julien, gestürzter König von Anoria“, sagte er mit kalter Stimme und starkem Akzent, „knie nieder und teile das Schicksal deines Reiches.“
    Einen Moment lang herrschte erschütterte, ungläubige Stille in dem überfüllten Raum. Niemand sprach, keiner wagte es auch nur, sich zu bewegen. Doch dann, bevor Julien reagieren oder der Brochonier seinen Befehl wiederholen konnte, zischte ein schwarz gefiederter Pfeil am Kopf des Offiziers vorbei. In direkter Linie flog er durch den Raum. Endlich bohrte er sich in Juliens Brust.
    Er fühlte keinen Schmerz. Ungläubig sah er auf das gefiederte Ende des Pfeils, das zwischen seinen Rippen hervorragte, herab. Ein dünnes Rinnsal Blut lief aus der Wunde. Er hob den Kopf. Das Bild verschwamm vor seinen Augen. Das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war ein schmales Gesicht, das er kannte, blaue Augen, die ihn voller Mitgefühl und Erbarmen anblickten. Seufzend atmete er aus. Blut lief über sein Kinn, doch er merkte es nicht. Er sank auf die Knie herab und kippte dann langsam nach vorn, aber er fühlte den Aufprall nicht. Da war nur diese Wärme und das sanfte, strahlende Licht, das ihn einhüllte und seinen Geist mit sich nahm …
     
    Langsam ging die Sonne unter und tauchte die Hochebene von Arida in ihr blutig rotes Licht. Tiefe, vollkommene Stille lag über dem Land. Nicht einmal das Rauschen des Windes war zu hören und selbst das Klappern der Pferdehufe auf der Straße nach Askana klang gedämpft und unwirklich. Unwillkürlich verringerten die vier Reiter ihr Tempo. Sie blickten zurück. Ein Tagesritt trennte sie inzwischen von der Stadt der Könige und doch schien mehr hinter ihnen zu liegen.
    Dann verblasste das rotgoldene Tageslicht und mit den letzten Sonnenstrahlen schwand auch die Wärme des Frühlingstages. Die Nacht brach schnell herein und sosehr François sie auch zur Eile drängte, sie waren inzwischen so müde, dass sie sich kaum noch im Sattel halten konnten. Sogar ihre Pferde stolperten vor Erschöpfung, während sie mit hängenden Köpfen dahintrotteten. Schließlich brachte Julius sein Pferd zum Stehen und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Sofort drehte sich François zu ihm um und starrte ihn einen Moment lang verständnislos an.
    „Was soll das?“, fragte er gereizt. „Wir haben keine Zeit für Pausen.“
    Entschlossen erwiderte Julius den Blick des Kandari: „Wir können nicht weiter“, er sah sich nach seinen beiden Freunden um, die in der Dunkelheit nur als verschwommene Schemen zu erkennen waren, „wir sehen ja nicht einmal die Hand vor Augen.“
    François, der ebenfalls abgestiegen war, zuckte ungerührt mit den Schultern: „Dann werden wir laufen.“
    „Laufen?“, wiederholte der junge Mann ungläubig: „Das ist Wahnsinn, François …“
    Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment kippte Dalinius zur Seite und fiel vom Rücken seines Pferdes. Julius sprang auf ihn zu, doch er war nicht schnell genug. François stand bereits neben Dalinius, fing ihn auf und ließ ihn behutsam zu Boden gleiten. Sofort kauerte Julius neben den beiden und warf dem Sprecher der Gilde einen wütenden Blick zu: „Siehst du?“, fauchte er: „So schaffen wir es niemals bis Askana. Er braucht eine Pause, Ruhe, etwas Schlaf …“
    „Was er wirklich braucht“, unterbrach ihn François mit ruhiger, sachlicher Stimme, „ist ein Arzt.“
    Er stand auf und wandte sich ab. Julius überließ es Raphael, der nun ebenfalls neben ihm hockte, sich um Dalinius zu kümmern, und lief ihm nach.
    „Was soll das heißen?“
    Als François nicht stehen blieb, fasste er nach dem Arm des Kandari. Der Stoff seines Mantels fühlte sich warm, nass und klebrig zwischen seinen Fingern an. Sofort zog er seine Hand zurück und betrachtete verwundert seine Fingerspitzen im blassen Mondlicht. Sie waren voller Blut. Erst jetzt erinnerte er sich an die tiefe, hässliche Schnittwunde am Arm seines Gegenübers. Wahrscheinlich war die Verletzung wieder aufgerissen, als er Dalinius aufgefangen hatte.
    „Es tut mir leid“, murmelte Julius, während er noch immer auf seine Handfläche herabsah.
    Seufzend drehte François sich zu ihm um: „Auch ich entschuldige mich“, sein Blick wanderte zu Dalinius, der inzwischen wieder

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