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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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schimmerten Tränen, doch ihr Blick wirkte stumpf, verzweifelt und … lebensmüde. Das war nicht ganz das richtige Wort, doch anders konnte er es nicht beschreiben. Er hatte diesen Ausdruck schon einmal an diesem Tag gesehen, bei Arthenius.
    Irgendwie fing sie diesen Gedanken, diese Erinnerung auf und in ihren Augen flackerte Schmerz und abgrundtiefe Verzweiflung auf.
    „Was habe ich getan?“, flüsterte sie mit halb erstickter Stimme. „Philipus, was habe ich ihm angetan?“
    Sie zitterte und ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. In diesem Moment wirkte sie hilflos und unendlich verletzlich, aber Philipus versuchte nicht, sie zu trösten. Er antwortete nicht einmal. Stattdessen wartete er, bis sie einen Teil ihrer sonst unfehlbaren Selbstbeherrschung zurückgewann.
    „Du hattest recht“, sagte sie schließlich leise und tonlos, „es war unnötig grausam. Ich hätte allein gehen sollen. Aber ich konnte es nicht.“
    „Es hat keinen Sinn, das Vergangene zu bereuen“, sagte er nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens und dabei ließ er seine Stimme hart und sachlich klingen. Dann erinnerte er sich an die flüchtigen Eindrücke, die er von Philipes Visionen aufgeschnappt hatte, und fügte hinzu: „Außerdem brauchtest du seine Hilfe. Allein hättest du es nicht geschafft, Laurent zu überzeugen und lebendig zurückzukehren.“
    Sie widersprach nicht, doch schließlich flüsterte sie: „Es entschuldigt nicht, was ich getan habe“, und diese Worte waren voller Selbsthass, Abscheu und Verachtung. Wieder kämpfte Philipus gegen den Impuls an, sie trösten und beschützen zu wollen. Stattdessen sagte er sehr ruhig:
    „Ich fürchte, ich verstehe nicht, was du meinst.“
    Mit einer hilflos wirkenden Geste strich sie ihr weißes Haar zurück und zum ersten Mal an diesem Abend sah Philipus sie genauer an. Er konnte ein erschrockenes Zusammenzucken nicht ganz unterdrücken, als er in ihr eingefallenes Gesicht, ihre rot geränderten Augen blickte. Sie schien nur noch ein langsam verblassender Schatten ihrer selbst zu sein, ein Geist, eine Erinnerung, die sich immer mehr auflöste. Beinahe hatte er das Gefühl, durch sie hindurchsehen zu können.
    Auch diesen Gedanken nahm Larenia war und ein flüchtiges, freudloses Lächeln glitt über ihr Gesicht, bevor der starre, leblose Ausdruck zurückkehrte. Dann richtete sie sich auf und sah ihn gefasst und mit dieser für sie charakteristischen, durch nichts zu erschütternden Ruhe an: „Seit wann sind die Brochonier hier?“
    Philipus blinzelte, überrascht über diesen abrupten Themenwechsel, dann zuckte er mit den Schultern: „Sie kamen gestern Abend. Zwei Tage zuvor erreichten François, Julius und seine beiden Freunde Askana und berichteten uns vom Fall Aridas und von Juliens Tod.“
    „Wie geht es ihnen?“, in Larenias beherrschten Tonfall mischte sich echte Besorgnis, die zugleich sonderbar losgelöst wirkte. Philipus lächelte.
    „Es geht ihnen gut. Als sie hier ankamen, waren sie übermüdet und verletzt, aber Felicius konnte ihnen helfen. Oh, und François hat Pierre getroffen. Er hat ihnen geholfen, aus Arida zu fliehen.“
    „Gut“, ein leichtes Lächeln, das zum ersten Mal an diesem Abend wirklich lebendig wirkte, erhellte für einen Moment ihr schmales Gesicht, dann wurde sie wieder ernst, „was geschah dann?“
    „Die Brochonier ließen nicht lange auf sich warten. Sie wären schon eher da gewesen, hätte Julien sich nicht geopfert“, Philipus verstummte. Es war sonderbar. Solange Julien gelebt hatte, hatte er dem König Anorias kaum Bedeutung zugemessen. Letztendlich war er nur ein Mensch, nicht mehr als all die anderen vor ihm, aber der Tod dieses friedliebenden Mannes hatte nicht nur ihn, sondern auch die anderen Gildemitglieder erschüttert.
    „Ich habe gewusst, dass Julien diesen Krieg nicht überleben würde“, Larenia seufzte und blickte gedankenverloren in die Dunkelheit, „Wer weiß, vielleicht war es besser so“, sie schwieg einen Augenblick lang, bevor sie wieder zu Philipus aufsah, „die Brochonier kamen also gestern. Was passierte als Nächstes?“
    Erneut hob Philipus die Schultern: „Es geschah gar nichts. Das ist ja das Sonderbare. Sie haben die Stadt sofort eingekreist und uns jeden Fluchtweg abgeschnitten. Jetzt hätten sie uns angreifen können. Wir hätten eine längere Belagerung kaum überstanden und das wissen sie“, Philipus schüttelte den Kopf, „aber sie haben es nicht getan. Die Brochonier begnügten

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