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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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nicht sicher, ob er überhaupt merkte, was er da tat. Doch damit hatte ich gerechnet, sosehr es mich auch schmerzen mochte, ihn so zu sehen. Ich hatte gewusst, dass dieser Krieg Julien vernichten würde. Anders war es mit meiner Mutter. Bis zu meiner Abreise schien sie der Bedrohung relativ gleichgültig gegenüberzustehen. Für Juliens Skrupel empfand sie Verachtung und die Gilde liebte sie nicht gerade. Aber die Existenz der Brochonier erfüllte sie nicht mit dem gleichen namenlosen Ersetzen wie die meisten von uns. Jetzt schreckte Patricia bei jedem lauten Geräusch zusammen. Sie engagierte sich für jene, die nach dem Kampf obdachlos geworden waren und für die Verletzten richtete sie ein Haus auf dem Palastgelände ein. An diese Dinge hätte sie früher keinen zweiten Gedanken verschwendet. Etwas bedrückte sie, das erkannte auch ich. Und ebenso deutlich sah ich, dass es nicht der Krieg war.
    Was auch immer sie so verändert haben mochte, meine Eltern waren noch immer König und Königin von Anoria. Und als solche kannten sie ihre Pflichten. So organisierten sie eine große Siegesfeier, zu der auch die vier Fürsten Anorias geladen waren, denn inzwischen hatten sie ihre Länder auf den erwarteten Angriff vorbereitet. Zwei Tage später sollte dann der Kriegsrat stattfinden.
     

Sénia
     
     
    Der erste Tag des sechsten Monats war der erste richtige Sommertag im Jahr 400. Die Sonne schien und die Luft war sogar in Arida erfüllt vom Duft der Blumen und Früchte, die überall auf den Straßen angeboten wurden. Auch der Abend war mild und die Straßen, selbst jene, in denen man noch immer Spuren des Kampfes erkennen konnte, waren erhellt von vielen Fackeln. Denn heute feierten die Anorianer das Leben und ihren Sieg über einen übermächtigen Feind.
    Die wenigsten durchschauten die Fassade. Arida war gerettet, das stimmte, doch ein Sieg war es gewiss nicht.
    Aber Julien kannte sein Volk und wusste, was er den Menschen schuldig war. Darum gab er zur Anerkennung ihrer Mühen dieses Fest.
    Im Palast hatte sich der größte Teil des Adels von Anoria versammelt. Logis und Elaine waren noch immer in Arida, sie würden in sechs Tagen nach Komar zurückkehren. Auch Cordac war mit seiner Frau Rosaria aus Terranien gekommen, ebenso wie Ciaran Roy, der mit einem Großteil seines Hofstaates aus Finnroy angereist war. Eugen, der Fürst von Aquanien, war ebenfalls mit seiner Tochter Linda erschienen. Sie alle hatten ihre Länder auf den bevorstehenden Angriff vorbereitet und waren wegen des Kriegsrates, der in drei Tagen stattfinden sollte, in Arida.
    Der riesige Thronsaal war für die Siegesfeier umgeräumt worden. Statt des Throns füllten lange Tafeln den Raum. Die Wahrzeichen der vier Fürstentümer zierten die Wände und hinter dem Sessel des Königs hing groß und eindrucksvoll das Wappen des vereinigten Anorias, ein Sinnbild des Friedens. Lächelnd betrachtete Julius das Durcheinander in der Halle. Julien saß in seinem Sessel und sah auf seine Untertanen herab. Sein Haar war inzwischen eisgrau und er erschien nicht mehr so kraftvoll wie früher, dennoch war er an diesem Abend verehrungswürdig, wie es nur ein väterlicher, weiser und gerechter Herrscher sein konnte. Hinter seinem Stuhl stand Patricia. Sie sah heute Abend sehr schön aus. Im Gegensatz zu Julien erschien sie jünger, als sie tatsächlich war. Ihr dunkelrotes Haar schimmerte im Fackellicht und ihre grünen Augen blickten entschlossen in den Raum. Stolz und hoch aufgerichtet stand sie da und Julius wurde klar, dass sie für ihn der Innbegriff des Weiblichen war. Dennoch schien sie irgendetwas zu bedrücken, denn selbst heute wirkte sie niedergeschlagen, und Julius nahm sich fest vor, mit seiner Mutter über ihre Sorgen zu sprechen.
    Julius konnte seine Betrachtungen nicht fortführen, denn in diesem Augenblick flog die Tür krachend auf. Auf der Schwelle standen die Mitglieder der Gilde der Zauberer. Sie wirkten sehr eindrucksvoll im flackernden Licht der Fackeln. Es gab niemanden im Saal, der nicht beeindruckt war. Doch ein Großteil der Aufmerksamkeit galt Larenia. Inzwischen hatte fast jeder gehört, auf welche Weise die Brochonier besiegt wurden. Es gab keinen einzigen Menschen, der nicht vor ihrer Macht erzitterte. Sogar Julius, der so viele Tage mit ihr gereist war, konnte ihre jetzige Erscheinung nicht mit der Person vereinbaren, die er in letzter Zeit kennengelernt hatte und der Angst und Sorgen nicht fremd waren. Mehr denn je wirkte sie wie ein

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