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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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Kontrolle über ihre Kräfte, die sie so mühsam gefestigt hatte, verlieren. Die meisten Empathen, zumindest jene mit derart unglaublichen Fähigkeiten wie Larenia, vermieden es zu kämpfen. Ihre eigenen Schmerzen konnten sie ausblenden oder ignorieren, aber niemals das Leid anderer, egal ob Freund oder Feind. Larenia jedoch schien das alles nicht zu berühren. Stattdessen griff sie zu einer bewährten Taktik und hüllte sich in Schweigen. Und genau das machte Arthenius Angst.
    „Larenia?“, langsam, als bereite es ihr Mühe, zurück in die Wirklichkeit zu finden, hob sie den Blick: „Was tust du hier?“
    „Nichts. Jedenfalls nichts Besonderes.“
    „Lüg mich nicht an“, aber seine Worte klangen nicht vorwurfsvoll, vielmehr schwang ein Hauch von Resignation in seiner Stimme mit. Larenia hörte diesen Unterton deutlich. Etwas umständlich stand sie auf und strich sich mit einer geistesabwesenden Geste das lange Haar aus dem Gesicht.
    „Ich weiß, dass sie mir keine Vorwürfe machen“, sie meinte die anderen Gildemitglieder, „aber ich fühle ihre Neugierde, es ist deutlich genug in ihren Gedanken, in der Art, wie sie sich manchmal ansehen …“, sie bemerkte Arthenius’ fragenden Blick, „ich möchte nicht darüber sprechen“, fügte sie in verändertem, entschiedenen Ton hinzu.
    „Und ich werde dich nicht fragen. Aber du bist ungerecht den anderen gegenüber. Sie machen sich nur Sorgen, um Anoria und um dich.“
    Sie blickte an Arthenius vorbei und senkte dann den Kopf. „Ich weiß.“
    Einen Augenblick standen sie schweigend in der Dunkelheit. Dann, nach einer Ewigkeit, wie es schien, fragte Arthenius in verändertem Tonfall: „Wie soll es nun weitergehen?“
    Dankbar über den Themenwechsel antwortete sie: „Ich muss mit Pierre sprechen, irgendwie. Irgendetwas ist seltsam in dieser ganzen Angelegenheit. Was auch immer wir tun, die Brochonier scheinen uns stets einen Schritt voraus zu sein.“
    „Und wie stellst du dir das vor? Laprak liegt nicht gerade um die Ecke.“
    „Das stimmt“, entschlossen erwiderte sie Arthenius’ nachdenklichen Blick. Dann lächelte sie. Es war ein kaltes, gefährliches Lächeln, das für ihre Feinde nichts Gutes bedeutete, „aber Pierre ist auch ein Telepath, selbst wenn er selten Gebrauch davon macht. Daher sollte es mir gelingen, ihn zu erreichen, egal, wo er ist.“

    Im weit entfernten Andra’graco lag Pierre allein in der feuchtkalten Dunkelheit seiner Gefängniszelle. Irgendwo auf dem Weg von Komar nach Laprak hatte er sein Zeitgefühl verloren. Und hier, in der ewigen Finsternis der Gefängnisinsel, konnte er keine Tage zählen. Er erinnerte sich verschwommen an die Überfahrt, an den Weg durch dunkle, enge und modrige Gänge, in denen das Geschrei und Stöhnen der Gefangenen widerhallte. Man hatte ihm seine Waffen und Rüstung weggenommen und ihn anschließend hierhergebracht. Mehr wusste er nicht.
    Auch der Kampf mit den Brochoniern in Komar war für ihn nicht mehr als eine verblassende Erinnerung. Er hatte viele seiner Feinde verletzt oder getötet, aber am Ende war die Übermacht selbst für ihn zu groß gewesen. Ein Schlag auf den Kopf hatte ihn betäubt, und als er aufwachte, befand er sich schon gefesselt und von mehreren Brochoniern und einem Druiden bewacht an Bord eines Schiffes.
    Jetzt öffnete Pierre vorsichtig die Augen und sah sich um. Er lag an einer Steinwand, an der das Wasser herunterlief. Die Zelle war klein und viereckig, gerade groß genug, um aufrecht stehen und drei Schritte hin und her gehen zu können. Eine kleine Stahltür stellte den einzigen Zugang dar. Keine Möglichkeit zu entkommen, stellte Pierre trübsinnig fest und ließ den Kopf wieder sinken. Er hatte versucht, mit seinen magischen Fähigkeiten eine Lichtkugel zu beschwören, doch der Versuch scheiterte kläglich. Er hatte keinerlei Übung in diesen Dingen. Außerdem fiel es ihm schwer, sich in dieser Umgebung, noch dazu mit hämmernden Kopfschmerzen, zu konzentrieren. Er konnte nicht fliehen und niemand würde kommen, um ihn zu retten. Alles, was ihm noch blieb, war die Hoffnung, dass Elaine und Julius entkommen waren. Für einen kurzen Augenblick hatte er in Komar geglaubt, Larenias Anwesenheit wahrzunehmen. Aber das war sicherlich nur eine Täuschung gewesen.
    Pierre schloss die Augen und versuchte, sich auf seine jetzige Situation zu konzentrieren. Ohne seine Waffen fühlte er sich nackt und schutzlos. Seitdem er mit zwanzig Jahren der Garde beigetreten war, hatte

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