Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
nirgendwo Wasser durchzusickern schien.
    Seine beiden Zellengenossen blieben die meiste Zeit für sich, doch hier und da musterten sie ihn argwöhnisch, denn anders als sie sprach er mit dem Akzent der Oberschicht und war dennoch eines größeren Verbrechens als sie beschuldigt worden. Allein ihre Anwesenheit ekelte Gareth, ihr abgestandener ranziger Geruch, ihre Sprache, die Gewalthandlungen, die sie einander wie nebenbei androhten, ihr Schnarchen und Atmen, wenn er dalag und nicht schlafen konnte.
    Am vergangenen Nachmittag war er mit dreißig anderen Gefangenen in den Hof gelassen worden. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet, dass er der Sohn von Richter Bentley war, der etliche von ihnen hinter Gitter gebracht hatte. Sobald die Aufseher ihnen den Rücken zukehrten, nahmen sie sich Gareth vor, traten ihm mit Stiefeln in die Rippen, bearbeiteten sein Gesicht mit Fäusten. Daraufhin wurde er am Nachmittag in den Krankenhausflügel verlegt. Abends wurde er wieder in den Gefängnistrakt gebracht, zum Ausgleich für den erlittenen Schaden jedoch in eine Einzelzelle. Schon dafür hätte Gareth die bezogenen Prügel um nichts in der Welt rückgängig machen wollen.
    Die Zelle war nicht sehr groß, nicht mehr als ein Meter zwanzig mal zwei Meter fünfzig, enthielt eine Pritsche, einen Stuhl, einen kleinen Tisch und eine Toilette ohne Deckel. Doch als die Tür abgeschlossen wurde, war seine Freude, allein zu sein, größer als die Panik über seine Inhaftierung. Die Zelle roch nach Desinfektionsmitteln, die Laken nach billigem Waschpulver. Gareth selbst fügte die Gerüche von getrocknetem Schweiß und Angst hinzu.
    Vor fast einer Woche war er in einer fremden Wohnung in einem fremden Bett aufgewacht, hatte das vertraute Hämmern in den Schläfen gespürt, die Stiche, die sich in seinen Schädel bohrten, und sich dafür verflucht, dass er sich wieder einmal betrunken hatte. Ihm fiel ein, wie oft er sich geschworen hatte, der Versuchung zu widerstehen, dass es ihm lange Zeit sogar gelungen war, bis es wieder zu einem Ausrutscher kam. Er brauchte lediglich ein Ereignis, das ihm das Gefühl gab, es könne nur mit Alkohol gefeiert werden, und schon wurde aus dem ersten das zweite und dritte Glas, und dann kam der Vollrausch. An die vergangene Nacht konnte er sich kaum noch erinnern, sodass er sich fragte, wie er überhaupt in diese Wohnung gelangt war. Mit Sicherheit wusste er nur, dass er zur Threadbare-Galerie gefahren war, um sich mit Owen Montignac zu treffen, und dass sie danach zum Abendessen gegangen waren, bei dem er begonnen hatte, im Übermaß zu trinken. Danach brach die Erinnerung ab.
    Er hob die Bettdecke an, schaute darunter und stellte fest, dass er noch bekleidet war. Nur die Schuhe hatte er vor dem Einschlafen offenbar ausgezogen und den Gürtel seiner Hose gelockert. Seine Zunge klebte am Gaumen. Er brauchte dringend ein Glas eiskaltes Wasser.
    Â»Hallo?«, krächzte er, drehte vorsichtig den Kopf, um sich in dem Raum umzusehen, und versuchte, sich aus dem Ganzen einen Reim zu machen. Es war ein sehr ordentlicher Raum, und, anders als in seinem Zimmer zu Hause, lagen nirgends Kleidungsstücke auf dem Boden. Die Schranktür war geschlossen, und der Toilettentisch in der Ecke aufgeräumt. Links neben dem Fenster hing ein Druck an der Wand und zeigte ein Gemälde von einem Maler namens Monet, wenn er sich nicht irrte. Ein Mädchen in weißem Kleid und mit einem Sonnenschirm war darauf, es stand im hellen Sonnenschein vor einem Baum. Sonst war ihm kein einziger Gegenstand bekannt, sodass er weder wusste, wo er war, noch, wie er hierhergekommen war. »Hallo?«, rief er noch einmal, doch niemand antwortete.
    Und dann begann der Lärm.
    Als er draußen zwei Wagen hörte, die mit quietschenden Reifen bremsten, dachte er sich zunächst nicht viel dabei. Dann erklangen Schritte, eilige Schritte von mehreren Personen, als Nächstes wurde an eine Haustür gehämmert.
    Â»Polizei«, brüllte eine Stimme. »Aufmachen!«
    Gareth furchte die Stirn, schloss die Augen und hoffte, dass er entweder wieder einschlief oder die Stimmen draußen verstummten. Er wusste nicht, in welcher Gegend er gelandet war, wünschte jedoch, er wäre zu Hause am Tavistock Square.
    Wieder hörte er Schritte, diesmal unten im Haus. Eine Tür wurde geöffnet, und erregtes Stimmengewirr drang nach oben. Was im

Weitere Kostenlose Bücher