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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Einzelnen gesagt wurde, verstand er nicht. Die Stimmen näherten sich, jetzt so laut und deutlich zu vernehmen, dass er dachte, die Eingangstür der Wohnung müsse offen stehen. Mit einem Mal befiel ihn Panik. Er setzte sich auf, spürte die volle Wucht seines Katers und legte eine Hand an seine Stirn. Stöhnend beugte er sich über die Bettkante, dachte, er müsse sich übergeben. Doch irgendeine kleine Stimme in seinem Ohr riet ihm, aufzustehen, und erklärte, dass es besser sei, die Eingangstür so rasch wie möglich zu schließen. Mühsam hievte er sich aus dem Bett, kam unsicher auf die Beine und spürte, wie sein schmerzender Körper mit den hämmernden Schläfen wetteiferte, um festzustellen, wer ihm die größeren Qualen bescheren konnte. Das Licht fiel durch die einen Spalt weit geöffneten Vorhänge. Er schaute an sich hinab und riss die Augen auf.
    Sein Anzug war voller Blut.
    Â»Guter Gott«, sagte er, schwankte und fürchtete schon, er würde ohnmächtig werden. Voller Entsetzen riss er sein Hemd auf, wollte nachsehen, wo er verletzt worden war, doch seine Haut war glatt und unversehrt. In einer Ecke entdeckte er einen Spiegel, trat darauf zu und begutachtete sein Gesicht, erkannte einige getrocknete Blutschlieren, aber keinen Schnitt. Im nächsten Moment begriff er, dass es sich nicht um sein Blut handelte, dass es sich lediglich auf seiner Kleidung befand, was keinen Sinn ergab und ihn dennoch mit Angst erfüllte, ein Gefühl, das sich steigerte, als die Schritte draußen die Treppe heraufpolterten. Ohne zu wissen, weshalb, wusste er, dass er schleunigst in den nächsten Raum gelangen und die Wohnungstür schließen musste, ehe die Schritte noch näher kamen.
    Mit einem Satz war er an der Tür zum Nebenraum, riss sie auf und stürzte hindurch. Auch dieses zweite Zimmer war ihm fremd. Er hatte den Eindruck, dass dort in der Regel Ordnung herrschte, die irgendjemand zerstört hatte. Bücherregale waren umgestoßen worden, eine Blumenvase lag vor dem Sekretär zerschmettert auf dem Boden, zwischen den Scherben sah man abgeknickte Blumen. All das war jedoch nichts im Vergleich zu dem, was sich zwischen ihm und der halb geöffneten Tür am anderen Ende auf dem Boden befand, denn da lag ein Mann mit eingeschlagenem Schädel, das geronnene Blut auf seiner Stirn hatte sich schwarz gefärbt; steif wirkte er, hatte nur ein Auge geöffnet, das voller Entsetzen zu ihm hochstarrte.
    Gareth hielt sich am Türrahmen fest und war im ersten Moment unfähig, das, was er sah, zu verarbeiten. Vielmehr kam ihm das Ganze wie ein grässlicher, surrealer Albtraum vor. Er befand sich in einer unbekannten Wohnung, überall war Blut, auch auf seiner Kleidung, und zu seinen Füßen lag die Leiche eines ihm vollkommen fremden Menschen. Er kniff die Augen zusammen und war doch nicht imstande, den Blick abzuwenden. Er blinzelte und kehrte in die Gegenwart zurück. Plötzlich begriff er die Szene vor seinen Augen, warf einen Blick zu der halb geöffneten Tür hinüber, sprang vor, um sie zuzutreten, doch schon stürmte die Polizei draußen in den Flur und tauchte im Türrahmen auf. Für einen Moment standen alle reglos da und starrten einander an. Dann trat der erste Polizist die Tür ganz auf. Gareth taumelte zurück zur Wand, die Hände defensiv ausgestreckt. Die Polizisten entdeckten die Leiche auf dem Boden und sahen einen blutverschmierten Mann, der aufschrie, woraufhin sie verharrten und das Grauen der Szene auf sich wirken ließen, ehe zwei von ihnen sich auf Gareth stürzten. Gareth, der ausnahmsweise einmal daran dachte, sich selbst zu schützen, versuchte, die beiden Männer abzuschütteln, dachte, wenn er es nur zur Tür schaffte und dann hindurch und die Treppe hinunter auf die Straße – ganz gleich, welche es war –, könnte er losrennen, könnte den ganzen Weg bis zum Tavistock Square rennen und in dem warmen Haus in sein eigenes bequemes Bett kriechen und in einer Stunde wach werden und erschauernd an den Albtraum denken, der ihm zuvor so lebendig und wirklich erschienen war und dabei war, sich zu verflüchtigen.
    Noch einmal versuchte er, sich zu befreien, wurde von den Polizisten umklammert und schrie auf, als sie ihn zu Boden stießen. Doch in dem Gerangel hatten sie ihr Gleichgewicht verloren, sodass Gareth auf dem Toten landete, sein Gesicht nur

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