Das Vermächtnis der Montignacs
weià ich es nicht. Aber wie dem auch sei, der Alkohol ist ihm direkt zu Kopf gestiegen. Er kann damit nicht umgehen. Wie Jane schon sagte, mein Vater hatte das gleiche Problem. Dann kam es zu einer Art Streit, der in eine Prügelei ausartete.«
»Soweit ich gehört habe, brach Gareth einem Jungen den Arm und renkte ihm die Schulter aus.«
»Nein«, entgegnete Roderick fest, »das war der springende Punkt. In dem entstandenen Tumult«, fuhr er im Tonfall eines Juristen fort, »wurde einem der Beteiligten der Arm gebrochen, und seine Schulter löste sich aus dem Gelenk. Gareth hatte weder das eine noch das andere getan. Zumindest lieà es sich nicht beweisen.«
»Er hat es natürlich geleugnet.«
»Er konnte sich an nichts erinnern. Er hatte so viel getrunken, dass der ganze Abend für ihn ausgeblendet war. Die Prügelei fand nachts statt. Als Gareth am nächsten Tag wach wurde und sich den Folgen stellen sollte, konnte er sich an nichts mehr erinnern. Der Schulleiter wollte ihn festnehmen lassen, aber dagegen habe ich mich gewehrt und Gareth vehement verteidigt. Zu guter Letzt habe ich der Schule eine groÃzügige Summe für ihren Wohltätigkeitsfond gespendet, und die Sache wurde fallengelassen. Gareth wurde für eine Weile suspendiert, doch seitdem hat er keinen falschen Schritt mehr gemacht, das schwöre ich Ihnen.«
»Damals und heute«, sagte Sir Quentin traurig. »Zwei falsche Schritte. Was für eine Schande, dass er nicht in die Kanzlei eingetreten ist.« Seine Miene hellte sich auf. »Dann wäre er jetzt mein Referendar und nicht mein Mandant.«
»Sie werden ihn doch retten, nicht wahr?«, fragte Jane so flehend, dass Sir Quentin befürchtete, sie greife nach seiner Hand.
»Ich werde ganz gewiss mein Bestes tun. Trotzdem ist es ein sehr schwieriger Fall.«
»Wenn Sie nur immer daran denken, dass ich ohne ihn nicht leben könnte«, erwiderte Jane heftig. »Ohne ihn nicht leben wollte.«
Roderick warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Es war, als existiere er für sie nicht. All ihre Fragen hatte sie an Sir Quentin gerichtet und schien sich nur auf seinen Kollegen zu verlassen.
5
Montignac besuchte den Whiteâs Club nur selten und fühlte sich unwohl, als er an diesem Tag dort saÃ. Zwar genoss er die Atmosphäre des Wohlstands und der Privilegien, die in den luxuriösen Räumen herrschte, kam sich jedoch wie ein AuÃenseiter vor, ein Mann mit niedrigem Einkommen, magerem Konto und enormen Schulden. Er fand, dass der Zutritt zu diesem Club verdient sein sollte, obwohl er sich fragte, wie viele der anderen Mitglieder ebenfalls als wohlhabend galten, ohne es tatsächlich zu sein. Der Club war im Grunde wie ein Asyl für aristokratische Obdachlose. Statt drauÃen herumzustreunen, sich zahllose Becher Tee zu besorgen oder endlose Stunden in Bibliotheken zu schlafen und dabei so zu tun, als ob sie Zeitung läsen, durften sie sich an einen Ort verziehen, wo sie die Nachmittage höchst bequem mit Zigarren, Brandys und Kartenspielen verbringen konnten. Einige von ihnen waren Freunde von Peter Montignac gewesen, und als Owen Montignac vor wenigen Minuten ankam, hatten sie zu ihm hin und gleich wieder weggeschaut. Wahrscheinlich wussten sie nicht, was sie sagen sollten, denn seit dem Tod seines Onkel waren zu viele Monate vergangen, als dass man ihm noch ein weiteres Mal hätte kondolieren können. Womöglich fanden sie es auch unschicklich, dass plötzlich wieder ein tragischer Tod mit dem Namen Montignac verbunden war, wenn auch nicht direkt.
»Owen Montignac«, erklang eine Stimme. Als Montignac aufsah, stand ein Mann vor ihm. »Charles Richards. Ich hoffe, Sie erinnern sich an mich.«
Montignac versuchte, ihn einzuordnen. Es war ein hart wirkender, älterer Gentleman und somit zweifellos ein alter Freund seines verstorbenen Onkels. Aber da war noch etwas, eine Begegnung, die noch nicht allzu lange zurücklag und irgendwo in seinem Gedächtnis schlummerte. Dann fiel es ihm ein. Der Mann war bei der Beerdigung seines Onkels gewesen. Als er aufbrach, war er Montignac unten im Flur von Leyville entgegengetreten und hatte etwas von der Lobrede gefaselt, die Montignac gehalten hatte. »Verdammt nobel« oder so ähnlich hatte er sie genannt und hinzugefügt, dass er normalerweise nichts von Gefühlsausbrüchen halte, von Montignacs Worten über seinen Onkel
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