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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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richtete sich auf. »Du meinst, kürzlich?«
    Â»Ja. Ziemlich kürzlich. Genau genommen gestern Nachmittag.«
    Â»Allmächtiger. Wo?«
    Â»Na, wo schon«, sagte Montignac amüsiert. »Als er in Frack und Zylinder im Club saß? Im Gefängnis natürlich.«
    Â»Warum, um alles in der Welt, bist du denn dorthin gegangen?«
    Â»Ich weiß es nicht. Er hat mich darum gebeten und irgendetwas – eine Art morbide Neugier hat mich zu ihm getrieben.«
    Â»Ich weiß nicht, ob ich an deiner Stelle ebenso nachsichtig gewesen wäre. Ich glaube, ich hätte ihn vermodern lassen. Weiß Stella davon?«
    Â»Oh Gott, nein.«
    Â»Dann würde ich es auch dabei belassen. Wie geht es ihm denn? Wie sieht er aus?«
    Â»Furchtbar. Er ist nur noch ein Schatten seiner selbst.«
    Â»Trotzdem dürfte er nicht halb so schlimm wie Raymond Davis aussehen.«
    Â»Das wohl nicht.«
    Â»Und, war er reuig?«
    Â»Sehr. Natürlich erinnert er sich an nichts, scheint aber zu glauben, dass er zu so einer Tat fähig gewesen sein könnte, auch wenn er sie nicht geplant hat.«
    Â»Sagt man nicht immer, stille Wasser sind tief?«
    Â»Er war kein stilles Wasser, Alexander, sondern ein Alkoholiker, der außer Rand und Band geraten ist. Er wird für niemanden ein Verlust sein.«
    Â»Verlust?« Alexander hob eine Braue. »Glaubst du, man wird ihn hängen?«
    Â»Ich halte es für möglich. Der Staatsanwalt wird mit Sicherheit dafür plädieren.«
    Alexander schauderte. Diese Angelegenheit war ihm zu real. »Wenn du es schaffst, mich da herauszuhalten, wäre ich dir äußerst dankbar, Owen. Ich mag nicht einmal mehr daran denken.«
    Â»Was für ein guter Freund du doch bist, Alexander. Lässt unseren kleinen Gareth in seiner Stunde der Not im Stich.«
    Â»Er ist nicht mein kleiner Gareth«, zischte Alexander und sah sich um, um sich zu vergewissern, dass sie keine Zuhörer hatten. »Und wenn du Verstand hast, betrachtest du ihn auch nicht als deinen kleinen Gareth. Genug davon, ich will nicht mehr über ihn reden. Das ist alles zu grässlich und im Grunde bereits Schnee von gestern. Wir überlassen ihn einfach seiner Reue und Sühne. Sollen wir uns Tee und etwas zu essen kommen lassen?«
    Montignac war hungrig und nickte. Ihn wunderte, wie grausam Menschen ihren alten Freunden gegenüber sein konnten. Wie sie fallengelassen wurden, wenn sie keinen Nutzen mehr versprachen, fast so, als hätte es sie nie gegeben. Er wusste, nach Gareths Tod würden seine sogenannten Freunde seine gesamte Geschichte neu schreiben, das Gute, das er ihnen getan hatte, vergessen, seine Freundlichkeit übergehen. Stattdessen würden sie Skandale erfinden, Gespräche nacherzählen, die nie stattgefunden hatten, bis er mehr einer Schablone glich, einem Bösewicht aus den Romanen von Charles Dickens, als einem Menschen aus Fleisch und Blut, der ihnen einmal etwas bedeutet hatte und dem sie etwas bedeutet hatten. Offenbar war er der Einzige aus Gareths Kreis, den es kümmerte, ob er leben oder sterben würde, obwohl er derjenige war, der ihn überhaupt in diese Lage gebracht hatte.
    Aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Er hatte das getan, was Keaton von ihm verlangt hatte. Für den Preis von vierzigtausend Pfund. Und falls jemand sterben musste, sagte sich Montignac, dann besser Gareth als er.

6
    Als Margaret Stella ihr Frühstück bringen wollte, war sie nicht in ihrem Zimmer, doch da es ein schöner Sonnentag war, konnte sie sich denken, wo sie sich aufhielt. Sie trug das Tablett hinauf zum Dachgarten. Stella lief dort mit einem Wasserschlauch an der Brüstung entlang und goss die Topfpflanzen.
    Â»Ich dachte mir schon, dass du hier bist«, sagte Margaret und stellte das Tablett auf den Gartentisch. »Ich habe dein Frühstück mitgebracht.«
    Â»Ich bin nicht hungrig.« Missmutig betrachtete Stella den Teller mit Rührei und Schinkenspeck.
    Â»Du musst es gar nicht so anschauen, es ist nicht vergiftet«, sagte Margaret aufmunternd. »Und den Schlauch musst du richtig aufrollen, sonst fällst du eines Tages noch darüber.«
    Zum ersten Mal seit Tagen deutete sich auf Stellas Lippen ein Lächeln an.
    Â»Tut mir leid, Margaret, ich kann nichts essen.«
    Â»Das musst du aber. Ich lasse nicht zu, dass du dahinschwindest.«
    Für einen Moment hatten sie ihre früheren

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