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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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genau verfolgt und fand, dass Sie sich hervorragend verhalten haben. Aus meiner Sicht war der Bursche so schuldig wie der Teufel und bar jeder Reue. Hätte ein anderer auf der Anklagebank gesessen, hätte man ihn fraglos gehängt. Und doch dachte ich nicht, dass Sie Domson zum Tod verurteilen würden.«
    Â»Obwohl Sie selbst sagen, bei einem anderen hätte es diesbezüglich keine Frage gegeben.«
    Â»Nur dass bei Domson die öffentliche Meinung zu berücksichtigen war. Die vielen Stimmen, die der Ansicht waren, irgendwie sei es gegen Gottes Wille, ein Mitglied der königlichen Familie hinzurichten, so entfernt die Verwandtschaft auch gewesen sein mag.«
    Â»Er war ja wohl kaum ein Mitglied der königlichen Familie«, wandte Roderick ein.
    Â»Andere wiederum wollten, dass er ebenso wie das gemeine Volk behandelt wird. Wie sie selbst. Sie hatten das Gewicht der Aristokratie gegen das des Pöbels abzuwägen und haben sich für den Pöbel entschieden.«
    Â»Ich bin nur meinem Sinn für die Gerechtigkeit gefolgt.«
    Â»Es war dennoch mutig.«
    Â»So habe ich es nicht gesehen.«
    Â»Und jetzt sitzen Sie hier«, fuhr Keaton fort, »sind der Vater eines Sohnes, der sich der gleichen Lage wie Henry Domson befindet. Sie kämpfen, um seine Unschuld zu beweisen, und wissen, dass er hingerichtet wird, falls man ihn schuldig spricht.«
    Roderick rang nach Luft, denn Keatons unverblümte Worte schockierten ihn.
    Â»Nein, wenn man ihn schuldig spricht«, verbesserte Keaton sich. »Denn Sie wissen, dass es so kommen wird. Da hilft kein Beten.«
    Â»Könnten Sie bitte nicht –«, stammelte Roderick. »Bitte nicht.«
    Â»Das alles birgt eine gewisse Ironie in sich, nicht wahr?« Keaton lehnte sich zurück. Die Unterhaltung begann, ihm Spaß zu machen. »Dass Sie Ihren Sohn auf die gleiche Weise verlieren. Mr und Mrs Domson werden jede Minute der Verhandlung auskosten.«
    Â»Ich möchte nicht mehr darüber reden, Keaton«, erklärte Roderick, entsetzt angesichts der Kaltherzigkeit des Mannes. Sicher, im Fall des Königs vertraten sie gegensätzliche Meinungen, doch Keatons leichtfertige Äußerungen über Gareths Schicksal wollte er nicht noch länger hinnehmen.
    Â»Früher oder später müssen Sie sich den Tatsachen stellen, Roderick. Es sei denn, es erscheint jemand, der gewisse Dinge ändern kann. Andernfalls legt sich in wenigen Wochen die Schlinge um den Hals Ihres Sohnes.«
    Roderick runzelte die Stirn. »Es sei denn, es erscheint jemand?«
    Â»Was würden Sie dazu sagen«, begann Keaton so leise, dass sich beide Männer vorbeugten, »wenn ich Ihnen erzähle, dass ich dafür sorgen kann, dass eine Verurteilung Ihres Sohnes definitiv zu einer weniger harten Strafe führen wird.«
    Roderick wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er hatte nicht einmal richtig erfasst, was sein Kollege ihm mitteilen wollte.
    Â»Was wäre, wenn ich Ihnen erkläre, dass ich über Mittel verfüge, die ihrem Sohn eine leichtere Strafe garantieren, sagen wir ein paar Jahre Gefängnis und vorzeitige Entlassung dank guter Führung? Mildernde Umstände und so weiter. Was, wenn ich Ihnen Ihren Sohn zurückgeben und sein Leben retten könnte?«
    Â»Dazu sind Sie in der Lage?«, fragte Roderick und ließ sich mit verwirrter Miene zurücksinken.
    Â»Bin ich, ja. Ich besitze sowohl die Macht als auch die Autorität, das Urteil in diesem Fall beeinflussen zu können. Dazu gehört nur, dass Sie mir einen kleinen Gefallen tun.«
    Roderick begriff und konnte doch kaum glauben, dass dergleichen von ihm verlangt wurde.
    Â»Sie fordern, dass ich meine Entscheidung ändere«, sagte er fassungslos. »Sie wollen, dass ich gegen den König stimme.«
    Lächelnd lehnte Keaton sich zurück und hob eine Braue, um zu signalisieren, dass er genau das erwarte.

4
    Der Zug war voller als erwartet, und Montignac stellte missmutig fest, dass er kein leeres Abteil finden konnte. Schließlich stieß er auf eines, in dem es noch zwei freie Plätze gab. Er zog die Tür auf und entdeckte ein junges Paar, das eng zusammensaß und über irgendetwas kicherte.
    Â»Ist der Platz da noch frei?«, erkundigte er sich. Die beiden sahen ihn unwillig an, nickten jedoch. Montignac war kurz vor Abfahrt des Zuges eingestiegen, wahrscheinlich hatten die beiden gedacht, dass sie das

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