Das Vermächtnis der Montignacs
europäische Prinzessinnen, die alles tun würden, um sich unseren König zu angeln. Ich glaube, er macht das Ganze nur, um sie anzustacheln, meinen Sie nicht?«
»Da bin ich überfragt«, entgegnete Montignac, der noch eine Stunde Zugfahrt vor sich hatte, die er nicht unbedingt mit langwierigen Diskussionen über das Für und Wider königlicher EheschlieÃungen verbringen wollte. Er faltete die Zeitung zusammen und reichte sie dem Ehepaar. »Hier«, sagte er, in der Hoffnung, die beiden von sich abzulenken, »lesen Sie selbst.«
Die beiden nahmen das Angebot dankbar an und begannen, den Artikel noch einmal gemeinsam zu lesen. Montignac schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft und dachte, dass es doch erstaunlich war, wie die Zeit die Meinung eines Menschen verändern konnte. Vor zehn Jahren, als er fünfzehn Jahre alt gewesen war, hatte er die Zugfahrten nach Leyville geliebt. Damals, als er über die Feiertage oder die langen Sommerferien dorthin fuhr. In den Nächten vor der Reise konnte er nie schlafen, so sehr beschäftigte ihn der Gedanke, nach Hause zu kommen, wieder frei zu sein, zu Stella zurückzukehren.
Das war die Zeit gewesen, in der ihre Beziehung eine andere geworden war. Es hatte an einem Tag begonnen, an dem er sich mit Andrew geprügelt hatte. Damals er war vierzehn Jahre alt gewesen, Andrew siebzehn. Der Anlass war trivial gewesen. Vielleicht hatte Andrew besonders schlechte Laune gehabt oder einen Widerwillen gegen seinen Cousin entwickelt, jedenfalls schlug er ihn zusammen. Als Montignac wenig später das Haus betrat, strömte ihm Blut aus der Nase und der Platzwunde über einem Auge.
»GroÃer Gott«, sagte Stella, als er mit unglücklicher Miene durch die Tür geschlichen kam, »was ist denn mit dir passiert?«
Montignac zuckte mit den Schultern und wollte nicht zugeben, dass Andrew diesmal der Stärkere gewesen war. Stella erkannte seine Verlegenheit und fragte ihn nicht weiter aus.
»AuÃer mir ist niemand da«, sagte sie. »Aber wir müssen dein Gesicht säubern, ehe meine Eltern zurückkehren. Komm mit.«
Er folgte ihr hinauf ins Badezimmer, wo sie ihm das Blut abwusch, Jod auf die Platzwunde tupfte, in der noch winzige Stückchen Split steckten, und ein Heftpflaster darauf klebte. »So«, sagte sie, »jetzt siehst du nicht mehr so schlimm aus.«
Die ganze Aktion hatte nicht mehr als zehn Minuten gedauert, doch in diesen zehn Minuten hatte sich zwischen ihnen etwas verändert. Wenn sie sonst so nah beieinander gesessen hatten, war es ihnen nie bewusst geworden, und ihre Berührungen waren jedes Mal zufällig gewesen. Doch jetzt wollte Stella ihren Cousin nicht mehr loslassen und wollte ihm durch das Haar streichen, an dessen Spitzen noch winzige Blutreste hafteten.
Als Owen verarztet war, saÃen sie einander noch für einen Moment gegenüber, sahen sich an, und dann beugten sie sich vor und küssten sich, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
»Wir sind auf dem Weg in die Flitterwochen«, sagte Jenny. Montignac wurde aus seinen Erinnerungen gerissen und schaute sie an.
»Was haben Sie gesagt?«
»Wir fahren in die Flitterwochen«, wiederholte ihr Ehemann â Jack. »Nach Cornwall. Da habe ich Verwandte. Wenn wir ankommen, dürfte ein Festessen auf uns warten.«
Montignac rang sich ein Lächeln ab. Offenbar suchten die beiden jemanden, dem sie diese wundervolle Nachricht mitteilen konnten, und er war der Einzige, der ihnen zur Verfügung stand.
»Wir arbeiten in London im selben Haus als Dienstboten«, fuhr Jack fort. »So haben wir uns kennengelernt. Zur Hochzeit hat unsere Herrschaft uns zwanzig Pfund geschenkt, ungelogen. Zwanzig Pfund«, wiederholte er, als könne er sein Glück noch nicht fassen und wünschte, er hätte schon früher an eine Heirat gedacht.
»Glückwunsch«, sagte Montignac. »Obwohl Sie noch sehr jung sind.«
»Ich bin neunzehn«, erklärte Jack.
»Und ich einundzwanzig«, sagte Jenny. »Ich bin seine ältere Frau.«
Die ältere Frau , dachte Montignac versonnen. Darüber hatten er und Stella achtzehn Monate lang Witze gemacht. Sie war ein Jahr älter als er, aber das hatte keine Rolle gespielt. Es amüsierte sie lediglich, auf die Weise an ihren Altersunterschied zu denken, gab ihrer Beziehung noch mehr Würze.
Einmal fälschte er
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