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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Ausnahmslos Kunstobjekte, die in unserem Jahrhundert entstanden sind. Das zeichnet uns aus.«
    Der Richter beugte sich zu ihm hinüber. »Ich wusste gar nicht, dass in unserem Jahrhundert Kunstobjekte entstanden sind«, sagte er spitzbübisch und betulich zugleich. Es war eine Haltung, die er und seine Kollegen liebenswert fanden. Die Zuschauer dankten es mit untertänigem Gelächter.
    Â»Sie würden sich wundern, Euer Ehren.« Montignac lächelte nachsichtig. »Selbst heutzutage gibt es bei uns wundervolle junge Künstler.«
    Nur dass keiner von ihnen seine Werke in der Threadbare ausstellt , fügte er im Stillen hinzu.
    Â»Und seit wann sind Sie dort tätig?«, erkundigte sich Harkman.
    Â»Seit gut vier Jahren.«
    Â»Und Sie sind der Geschäftsführer?«
    Â»Richtig.«
    Â»Und die Galerie gehört einer Mrs« – wie nebenbei trat er an seinen Tisch und konsultierte eine Akte – »einer Mrs Rachel Conliffe?«
    Â»Ja, Mrs Conliffe ist die Besitzerin. Am Tagesgeschäft nimmt sie jedoch kaum teil.«
    Â»Das überlässt sie Ihnen?«
    Â»Ja.«
    Â»Dann muss Sie wohl sehr großes Vertrauen zu Ihnen haben, Mr Montignac.«
    Â»Das nehme ich doch an. Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis.«
    Â»Sehr schön.« Harkman beendete die Formalitäten mit zufriedener Miene. »Würden Sie uns jetzt bitte sagen, ob Sie den Angeklagten kennen?«
    Erstmals seit Betreten des Gerichtssaals ließ Montignac seinen Blick zur Anklagebank hinüberwandern, einem überraschend kleinen, käfigartigen Areal, wo Gareth Bentley von zwei Polizisten flankiert saß. Schockiert betrachtete Montignac den jungen Mann, der seit ihrer letzten Begegnung noch dünner geworden war und mittlerweile geradezu unterernährt wirkte. Seine Wangen waren eingefallen, und die Augen schienen tiefer in ihre Höhlen gesunken zu sein. Der teure Anzug hing so lose herab, als wäre er für einen größeren und schwereren Mann angefertigt worden. Für einen Moment hatte Montignac den Eindruck, dort säße ein Trinker in einer Kaschemme, unrasiert und kaum noch bei Sinnen, jemand, der aus unerfindlichen Gründen einen Anzug aus feinem Tweed und eine Krawatte trug.
    Â»Ja«, sagte er, »ja, ich kenne Mr Bentley.«
    Â»Würden Sie uns berichten, wie und wann Sie ihn kennengelernt haben?«
    Â»Das war vor einigen Monaten, ich glaube, im Juli. Ich hatte einen Bekannten besucht, dem ein Club gehört, und traf dort zufällig auf einen Freund, der bei einer kleinen Geburtstagsfeier war, zu Ehren von Gareth – ich meine, Mr Bentley. Bei dieser Gelegenheit wurden wir miteinander bekannt gemacht.«
    Â»Aha«, sagte Harkman. »Haben Sie sich an dem Abend für längere Zeit mit dem Angeklagten unterhalten?«
    Â»Das kann man so nicht sagen. Wir waren eine kleine Gruppe und sprachen über alles Mögliche. Gareth erwähnte wohl, dass er mit seinem Leben unzufrieden sei, aber ich konnte nicht lange bleiben. Ich musste am nächsten Morgen frühzeitig aufstehen und bin vor den anderen gegangen.«
    Â»Interessant«, sagte Harkman und griff den Hinweis auf, den Montignac bewusst hatte anklingen lassen. »Könnten Sie die Unzufriedenheit von Mr Bentley näher erläutern?«
    Â»Sicher.« Montignac lachte leise, als ginge es um etwas, das auf der Hand lag. »Es waren Gedanken, mit denen sich wahrscheinlich etliche junge Männer auseinandersetzen. Ich habe es nicht sonderlich ernst genommen.«
    Â»Könnten Sie vielleicht etwas deutlicher werden? Was genau hat Mr Bentley gesagt?«
    Montignac tat so, als habe schon ewig nicht mehr daran gedacht, und stieß einen gequälten Seufzer aus. »Da muss ich überlegen. Ach ja, es ging um den Druck, den seine Eltern ausübten. Sie wollten, dass Mr Bentley sich eine passende Arbeit suchte. Wenn ich mich nicht irre, hatte er sein Jurastudium beendet, sich jedoch gegen diese Laufbahn –«
    Â»Einspruch, Euer Ehren.« Sir Quentin sprang auf. »Die Ausbildung von Mr Bentley und seine beruflichen Aussichten sind schon abschließend behandelt worden.«
    Â»Stattgegeben.« Der Richter wandte sich an Montignac. »Bleiben Sie bei dem, was der Angeklagte tatsächlich gesagt hat, und erzählen Sie nicht, was Sie daraus geschlossen haben.«
    Â»Natürlich«, entgegnete Montignac.

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