Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
wiederholte er nachdenklich und tat so, als müsste er überlegen, wo ihm der Name schon einmal untergekommen sei, und dass dergleichen für ihn schwierig sei, da so viele gewichtige Personen nach ihm verlangten, dass der ein oder andere durchaus einmal durch die Maschen fallen konnte. »Ach, richtig – Nicholas. Ist schon eine Weile her, seit wir miteinander gesprochen haben.«
    Â»Ich glaube, gerade das macht ihm Sorgen«, entgegnete der Koloss. »Vielleicht fehlen Sie ihm.«
    Montignac lächelte höflich. Der Mann hatte Sinn für Humor, wenn auch keinen tröstlichen. »Gut, dann teilen Sie ihm mit, dass er schon auf meiner Liste steht«, sagte er und hoffte, das würde genügen. »In den nächsten Tagen bin ich beschäftigt, aber Freitag könnte ich es womöglich einrichten, falls es ihm recht ist.«
    Â»Freitag«, wiederholte der Mann sachlich.
    Â»Ja.«
    Â»Vormittags oder nachmittags?«
    Â»Sagen wir, am Nachmittag.« Montignac trank sein Glas aus und ignorierte den Whisky, der ihm gebracht worden war. »Gegen drei Uhr?«
    Er stand auf. Der Mann ebenfalls. Auf seiner entspannten Miene zeigte sich ein spöttisches Lächeln.
    Â»Mr Delfy möchte Sie heute Abend sehen«, erklärte er in einem Ton, der jeden Widerspruch auszuschließen schien.
    Montignac hielt sich vor Augen, wie vergeblich ein Fluchtversuch wäre. »Na schön.« Er griff nach dem spendierten Glas und leerte es in einem Zug. »Sollen wir?«
    Zwanzig Minuten später hielt der Wagen vor dem Eingang der Unicorn Ballrooms an. Die beiden Männer stiegen aus. Als sie den Türsteher passierten, nickte dieser Montignacs Begleiter zu. Auf dem Weg durch den Flur unten sah Montignac sich in einem Spiegel. In dem trüben Licht erstrahlte sein weißes Haar wie ein Leuchtfeuer.
    In der Vergangenheit hatte er diesen Club zahllose Male besucht, doch in den letzten fünf oder sechs Wochen hatte er ihn bewusst gemieden. Selbst wenn er abends den Wunsch verspürte, etwas zu trinken oder ein Spiel zu machen, oder wenn ihn die Lust auf eine Frau überkam, hatte er sich ferngehalten. Im vergangenen Monat, an dem Tag, als sein Onkel begraben wurde, hatte er Delfy einen Brief geschrieben. Seitdem hatte es zwischen ihnen keinen Kontakt mehr gegeben, und obwohl Montignac es kaum zu hoffen wagte, hatte er versucht, sich einzureden, Delfy habe ihn vergessen und die Sache sei erledigt. Was töricht gewesen war, denn der Betrag, den er schuldete, war viel zu hoch, um von Delfy mir nichts, dir nichts abgeschrieben zu werden. Genau besehen, hatte Montignac schon damit gerechnet, dass irgendwann ein schwergewichtiger Mann bei ihm aufkreuzen würde. Dieser hier musste ihn seit dem frühen Abend beobachtet haben, dankenswerterweise war er wenigstens nicht im Claridge erschienen, aber jetzt ließ sich das Unvermeidbare wohl nicht mehr länger aufschieben.
    Unten im Barbereich sah er stur geradeaus, doch dem Geräuschpegel aus Stimmen und Gelächter entnahm er, dass die meisten Nischen besetzt sein mussten. Aus der Ferne hörte er das Surren der Rouletteräder, ein verführerisches Geräusch und Musik in seinen Ohren. Er entsann sich des Abends vor etwa zwei Jahren, als er zum ersten Mal hierhergekommen war. Damals hatte er das Spielkasino mit nicht viel mehr als hundert Pfund in der Tasche betreten. Als er ging, hatte die Summe sich verfünffacht. Beseelt von seinem Erfolg, hatte er zu Hause begonnen, die Gewinnmöglichkeiten auszurechnen, falls er Abend für Abend einige Stunden an den Spieltischen verbrachte, ein Reichtum, der in fünf oder sechs Jahren sogar mit dem Bankvermögen seines Onkels konkurrieren konnte.
    Nur dass er nach dem ersten Abend nie mehr gewonnen hatte.
    Als sie das Ende des Flurs erreichten, fühlte er sich wie ein Gefangener auf dem Weg zum Schafott. Sein Begleiter schob ihn ein Stückchen zur Seite, klopfte an die Tür zu Delfys Büro, öffnete sie, stieß Montignac hinein und baute sich draußen vor der geschlossenen Tür auf.
    Nicholas Delfy schaute von seinen Unterlagen hoch. »Owen«, rief er, »ich dachte schon, wir müssten Sie von der Polizei suchen lassen.«

4
    Mehr oder weniger schweigsam kehrten Stella Montignac und Raymond Davis zu Stellas Suite im obersten Stock des Claridge zurück. Auf dem Weg durch die Eingangshalle und dann die Treppen hinauf und die Flure entlang, hatte

Weitere Kostenlose Bücher