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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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zu werden. Selbst wenn er den schlimmsten Verbrecher vor sich hat, kennt er Nachsicht. Auch das macht mir zu schaffen. Ich weiß nicht, ob ich jemals so großmütig sein könnte.«
    Â»Er ist nicht immer großmütig«, wandte Jasper ein. »Vor einer Weile hat er einen Burschen zum Tod durch den Strang verurteilt. Wie hieß er doch gleich – war ein Cousin des Königs oder so.«
    Â»Ein Cousin dritten Grades«, belehrte Gareth ihn. »Gut, das hat er getan, das gebe ich zu. Da hat er davon gefaselt, dass die Justiz blind sei und er dasselbe Urteil gefällt hätte, wäre ein anderer eines solchen Verbrechens schuldig gesprochen worden.«
    Â»Aber extrem war es schon«, sagte Jasper. »In Anbetracht der Umstände.«
    Â»Unsinn«, erwiderte Alexander, der aufgrund seiner literarischen Anwandlungen eine Art Gegner der etablierten Ordnung geworden war, wenngleich er noch nicht wusste, ob er lieber Paläste sprengen oder ein gefeierter Schriftsteller werden wollte. »Dein Vater hat das Richtige getan. Er ist eisern geblieben und hat dem Einfluss geheimer Mächte widerstanden.«
    Â»Wie dem auch sei«, sagte Gareth. »Ich weiß, was er sich wünscht. Ich soll bei ihm als Referendar anfangen und dann einen Platz an seiner Seite einnehmen.«
    Â»Und? Wirst du es tun?«, fragte Jasper, der spürte, dass sein Freund hören wollte, dass es nicht das Ende der Welt bedeute, für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen.
    Â»Mir scheint, dass ich nicht mehr groß wählen kann«, erwiderte Gareth. »Mein Vater sagt, wenn ich mich weigere, bekomme ich kein Geld mehr. Ich fürchte, die Tage des sorglosen Junggesellen Gareth Bentley sind vorüber. O Gott, als Nächstes wird er noch verlangen, dass ich heirate.« Gareth schauderte.
    Für einen Moment schwiegen sie. Jeder malte sich aus, wie entsetzlich es wäre, verheiratet zu sein. »An deiner Stelle würde ich auf Zeit spielen«, riet Jasper schließlich, »und ihm jetzt noch keine Antwort geben. Solange dein Vater den Eindruck hat, dass du dich aktiv um Arbeit bemühst, statt zu Hause zu hocken, wird er dir auch weiterhin Geld geben.«
    Â»Bist du sicher?«, fragte Gareth hoffnungsvoll. Er liebte seine Art zu leben und hätte sie gern weiterhin beibehalten. Zu größeren Herausforderungen fehlte ihm der Ehrgeiz.
    Â»Ja. Du musst ihn nur so lange wie möglich hinhalten. Und früher oder später wird sich auch etwas für dich ergeben. Irgendetwas ergibt sich doch immer.«
    Gareth sah ihn dankbar an. Jasper hob sein Glas, trank es in einem Zug leer, schenkte den anderen nach und bestellte die nächste Flasche Champagner.

3
    Owen Montignac stand vor der Tür zu Delfys Büro und versuchte, seine Gedanken zu ordnen, denn die vergangenen Stunden waren alles andere als angenehm gewesen. Zuerst hatte er sich mit Stella getroffen, zu einem spannungsreichen Dinner im Claridge. Anfang der Woche hatte sie ihn angerufen und ihre Sorge bekundet, da sie seit Tagen nichts von ihm gehört und er sich auf ihre Anrufe nicht gemeldet habe. Bei diesem letzten Anruf hatte er den Hörer gedankenlos abgenommen und das Gespräch mit ihr nicht vermeiden können. Und jetzt stand ihm die nächste lästige Aufgabe bevor.
    Â»Wie geht es dir?«, hatte Stella gefragt, als sie ihn endlich erwischt hatte. »Warum hast du nie zurückgerufen?«
    Â»Mir geht es gut«, antwortete er. »Rundum gut. Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich hatte sehr viel zu tun, alle Hände voll, weiter nichts.«
    Stella zögerte, dann sagte sie: »Ich hoffe, das ist der einzige Grund.«
    Â»Welcher sollte es sonst sein?«, fragte er und hörte selbst, wie mürrisch er klang.
    Â»Welcher wohl«, sagte sie leise. »Hör zu, morgen Abend bin ich in London. Wir könnten uns zum Dinner treffen.«
    Â»Morgen Abend«, wiederholte er und dachte nach. »Morgen Abend könnte schwierig werden.«
    Â»Inwiefern?«
    Â»Kann sein, dass ich da andere Pläne habe.«
    Â»Was heißt das?«, fragte sie. »Hast du andere Pläne oder nicht?«
    Montignac seufzte. Es war zwecklos, Stella ließ nie locker. Man konnte noch so oft versuchen, sie abzuwimmeln, aber schließlich gab man klein bei. Abgesehen davon fehlte sie ihm irgendwie. Auch seit dem Morgen, als Denis Tandy das Testament verlas, hatte er oft an sie

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