Das Vermächtnis der Montignacs
leid. Das wusste ich nicht.«
»Ach.« Vicky wirkte pikiert. »So war es aber. Es war für uns alle sehr erschütternd, aber wir haben tapfer weitergemacht. Das musst du auch tun, Stella. Tapfer sein und weitermachen.«
Vicky hob die Arme. Für einen schrecklichen Moment dachte Stella, sie wollte ihr Gesicht umfassen und sie küssen, doch Vicky war offenbar nur aus dem Gleichgewicht geraten.
»Wir könnten zusammen zu Mittag essen«, schlug sie vor. »Das Neueste über mich hast du sicher noch gar nicht gehört.«
»Das geht leider nicht«, entschuldigte sich Stella. »Ich treffe mich mit meinem Cousin.«
»Mit deinem Cousin?«, fragte Vicky interessiert. »Etwa mit diesem unglaublich gut aussehenden Jungen, der dich vor Jahren immer in der Schule besucht hat? Wegen dem du beinah rausgeworfen worden wärst?«
Stella erbleichte. »Davon hast du gewusst?«
»Wie viele andere auch. Ich habe gesehen, wie du eines Abends aus dem Fenster geklettert und mit ihm die Einfahrt hinuntergelaufen bist. Das war in deinem letzten Jahr. Am besten erinnere ich mich an seine Haare. Wie hieà er doch gleich? â Oliver, oder?«
»Owen.«
»Ach ja, richtig. Wie ungewöhnlich. Damals waren wir alle ein bisschen in ihn verliebt. Und ihr steht immer noch in Kontakt? Wie reizend.«
»Er ist mein Cousin«, erklärte Stella belustigt. »Natürlich stehen wir noch in Kontakt. Er ist ja alles, was ich jetzt noch habe.«
»Na, jedenfalls kannst du sicher sein, dass ich nie jemandem von euren Streichen erzählt habe. Verglichen mit dem, was im letzten Jahr passiert ist, ich meine, nachdem du schon weggegangen warst, waren mitternächtliche Spaziergänge wohl kaum noch der Rede wert.«
»Schade, dass ich das verpasst habe«, erwiderte Stella und hoffte, ihr sarkastischer Unterton bliebe Vicky nicht verborgen.
»Sei lieber froh, dass du dich stattdessen auf deiner Pariser Schule amüsieren konntest.«
»Sie war in Genf.«
»Oh, Genf. Wie reizend. Ich war noch nie in Ãsterreich.«
Stella wollte sie schon korrigieren, besann sich jedoch eines Besseren, denn mit einem Mal wusste sie auch wieder, wie strohdumm Vicky gewesen war. Abgesehen davon gehörte ihr vorletztes Schuljahr nicht zu den Zeiten, an die sie sich gern erinnerte. Damals hatte ihr Vater beschlossen, sie von der Schule in England zu nehmen und nach Genf ins Internat zu schicken. Arrangiert hatte es natürlich Margaret Richmond. Ihr verdankte sie, dass ihr Leben beinah zerstört worden wäre. Oder vielleicht, dass es gerettet worden war.
»Na, dann«, sagte Stella, »ich muss jetzt weiter. Owen wird sich schon wundern, wo ich bleibe.«
»Aber du hast meine Neuigkeit doch noch gar nicht gehört«, wandte Vicky ein, die nicht gewillt war, Stella ohne diese Nachricht ziehen zu lassen. »Ich bin verlobt.«
Stella lächelte höflich. »Tatsächlich? Wie schön. Herzlichen Glückwunsch.«
»Danke. Bitte, verzeih mir, dass ich deshalb so aufgeregt bin. Ich gewöhne mich gerade erst daran, anderen davon zu erzählen. Die Verlobung war erst vor wenigen Tagen.«
»Ich hoffe, dass du sehr glücklich wirst. Wann ist denn der groÃe Tag?«
»Vermutlich erst im nächsten Sommer«, antwortete Vicky. »Damien ist für eine lange Verlobungszeit. Er möchte, dass wir uns die teuersten Flitterwochen leisten können. Wir denken an eine Safari in Afrika. Da war ich noch nie. Warst du schon einmal dort?«
»Nein.«
»So etwas ist jedenfalls im Gespräch, obwohl wir stattdessen vielleicht auch die Europatour machen. AuÃerdem ist Damien gerade in der Bank befördert worden und findet, ehe wir uns häuslich niederlassen, sollte er sich ein Jahr ganz seiner Arbeit widmen. Das halte ich auch für das Beste, was meinst du?«
Stella zuckte mit den Schultern. »Ich kann dazu nichts sagen. Tu das, was dich glücklich macht.«
»Und was ist mir dir?«, fragte Vicky und war verärgert, da ihre alte Schulfreundin gleichgültig reagierte, statt neidisch zu sein. »Bist du schon verheiratet?«
»Nein.«
»Verlobt?«
»Nein«, entgegnete Stella und fragte sich, warum sie nicht bereit war, die Wahrheit zuzugeben.
»Oh, das tut mir leid. Aber du bist doch sicherlich mit jemandem involviert.
»Nein«, wiederholte Stella, »weder verheiratet noch verlobt
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