Das Vermächtnis der Montignacs
Stattdessen würde er Texte lesen, die er längst hatte lesen wollen, und später am Tag mit den Hunden einen langen Spaziergang machen.
»Heute Morgen habe ich mit Gareth gesprochen«, begann Jane nervös, denn ihr Sohn war ein heikles Thema. Sie hoffte jedoch, wenn sie ihrem Mann zuvorkam, würde er sich den Jungen nicht selbst vorknöpfen. »Er sieht ein, dass er die Dinge langsam ein wenig ernster nehmen muss.«
»Sehr viel ernster«, verbesserte Roderick.
»Sehr viel ernster. Das weià er inzwischen. Er hat begriffen, dass er jetzt ein junger Mann ist und kein Junge â«
»Meine Liebe«, fiel Roderick ihr ungeduldig ins Wort, »Gareth ist schon seit drei oder vier Jahren ein junger Mann. Ich kann kaum fassen, dass er das jetzt erst begreift.«
»Bitte keinen Streit, Roderick. Ich will ja nur sagen, dass du dir seinetwegen keine Sorgen mehr machen musst.«
Roderick butterte eine zweite Scheibe Toast und bestrich sie dünn mit Marmelade. »Dann hast du den Termin also gemacht?«
»Welchen Termin?«
»Bei Ede & Ravenscroft.«
»Ja, habe ich. Gareth weiÃ, dass man ihn dort zur Anprobe erwartet.«
Roderick legte sein Messer ab und schaute seine Frau über den Tisch hinweg an. Sie lächelte unsicher. Nach all den gemeinsamen Jahren wusste er sofort, wenn sie nicht vollkommen ehrlich zu ihm war. Er erkannte es an ihrer Wortwahl, der Art, wie sie den Kopf leicht nach links neigte und seinem Blick auswich.
»Irgendetwas verschweigst du«, sagte er.
»Was denn?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
»Woher soll ich das wissen, wenn du es auslässt? Warum sprichst du es nicht einfach aus? Er geht nicht zur Anprobe, richtig?«
Jane seufzte und wünschte, ihr Sohn würde seine Zukunft entschlossener anpacken. Ebenso wie Damien Tandy, der sogar den Anstand hatte, seine Mutter eine Hochzeit planen zu lassen, und der sie nie in eine peinliche Lage wie diese bringen würde. »Roderick, bitte, du sollst nicht ärgerlich werden â«
»Verdammt noch mal«, brach es aus Roderick hervor, obwohl er nur selten fluchte, »was hat der Junge denn jetzt schon wieder angestellt?«
»Nichts, er hat nichts gemacht«, beteuerte Jane und schaute nach allen Seiten. »Und sei bitte leise, ehe dich die Dienstboten hören.«
»Wer mich hört, ist mir einerlei. Hast du ihm gesagt, dass er ab Montag mit mir in die Kanzlei geht?«
»Ja.«
»Und dass er der Referendar von Quentin Lawrence wird?«
»Auch das.«
»Und dass er bei Ede & Ravenscroft seine Perücke und seine Robe bekommt?«
»Roderick, bitte, all das habe ich ihm erklärt. Ich habe ihm alles gesagt, was du mir aufgetragen hattest, und noch eine Menge mehr. Und er wird sich dem ohne Weiteres fügen, falls seine anderen Pläne nichts ergeben. Er freut sich darauf, Anwalt zu werden â eines Tages.«
Roderick kniff die Augen zusammen. »Eines Tages«, wiederholte er.
»Ja.«
»Aber nicht am kommenden Montag?«
»Ich glaube nicht.«
»Und wie sehen diese anderen Pläne aus?«, fragte er argwöhnisch. »Was hat er sich denn vorgestellt?«
»Also«, begann Jane und beugte sich vor, als käme gleich die aufregendste Nachricht der Welt, etwas, das sie beide unglaublich stolz machen würde, »möglicherweise hat er eine andere Stelle gefunden.«
»Wo?« Roderick kannte seinen Sohn gut genug, um dem Kommenden mit einer Portion Skepsis entgegenzusehen.
»Was für eine Stelle es ist, weià ich nicht genau, Gareth wohl auch nicht, aber sein möglicher Arbeitgeber â«
»Wo?«, schnitt Roderick ihr das Wort ab.
Jane seufzte. Es hatte keinen Zweck, noch länger um den heiÃen Brei zu reden. »Es scheint, dass Owen Montignac ihm eine Stelle angeboten hat.«
»Owen Montignac?«, fragte Roderick, ohne sein Erstaunen verbergen zu können. »Der Junge von Peter Montignac?«
»Sein Cousin, ja. Nicht sein Sohn.«
»Da irrst du dich«, erwiderte Roderick bestimmt. »Ich kannte Peter früher. Das ist zwar schon Jahre her, aber er hatte definitiv einen Sohn.«
»Der aber, soweit ich weiÃ, umgekommen ist. Bei irgendeinem Unfall. Owen ist der Sohn von Peters Bruder. Das habe ich letzten Monat in der Todesanzeige gelesen.«
»Und wenn schon«, sagte Roderick, der es nicht schätzte, belehrt zu werden. Weder von
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