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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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werden.
    Owen Montignac und Gareth Bentley waren Anfänger, was die Kunst des Rahmenbaus betraf, doch dank ihrer gemeinsamen Arbeit und der Hilfe einer guten Gebrauchsanleitung gelang es ihnen, am Abend drei Rahmen herzustellen. Sie hätten sogar mehr geschafft, wären ihnen die ersten beiden nicht sofort wieder auseinandergefallen und hätte Gareth bei dem dritten die Nägel nicht so schief in die Holzleiste getrieben, dass sie zerbarst. Für die Gemälde der Threadbare-Galerie hatte Montignac diese Arbeiten bisher immer an eine Firma vergeben, doch da es hier um eine spezielle Angelegenheit ging, konnten sie sich keinen Mitwisser leisten.
    Gareth erschien am frühen Abend in der Galerie und gesellte sich zu Montignac nach oben, in eine der kleinen Kammern vor dem Lager, wo sie ihr Material schon bereitgelegt hatten. Zuvor hatte Montignac Jason erklärt, er wolle nicht gestört werden und Jason solle die Vordertür abschließen, wenn er sich zur gewohnten Zeit auf den Heimweg mache.
    Â»Soll ich es Ihnen sagen, wenn ich gehe?«, fragte Jason wenig später und steckte den Kopf durch die Tür, um zu sehen, was in der Kammer ohne ihn vor sich ging. Es gefiel ihm nicht, dort auch seinen neuen Kollegen zu entdecken, denn dass Gareth dem Chef anscheinend nahestand, kränkte ihn ohnehin.
    Â»Nein, Jason, das ist nicht nötig«, sagte Montignac. »Geh einfach um sechs. Wir sehen uns morgen früh wieder.«
    Â»Aber was ist, wenn –?«
    Montignac schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Unglücklich kehrte Jason in die Galerie zurück.
    Â»Glauben Sie wirklich, dass es klappt?«, fragte Gareth, als sie kurz davor waren, den dritten Rahmen für diesen Abend zu vollenden.
    Â»Selbstverständlich«, entgegnete Montignac, der bei diesem Projekt keine Zweifler duldete.
    Â»Meinen Sie nicht, dass die Kisten vor dem Versand kontrolliert werden?«
    Montignac schüttelte den Kopf. »Sie ahnen ja nicht, wie aufwändig der Versand von Gemälden ist. Jedes muss sorgsam und fest in eine Schutzschicht eingeschlagen und mit Klebestreifen verschnürt werden. Dann kommt es in einen Holzkasten, der zugenagelt wird. Allein dazu braucht man eine ganze Weile. Vertrauen Sie mir, wenn ich Ihnen sage, vor ihrer Reise nach Schottland werden die Kästen von keinem Menschen mehr geöffnet.«
    Das erste Ziel der Cézanne-Gemälde war das Royal Museum in Edinburgh. Von dort aus würde die Sammlung – jeweils nach zwei Wochen – nach Newcastle, Leeds, Liverpool, Birmingham und Cardiff wandern, ehe sie zu guter Letzt einen Monat lang in der Tate Gallery in London gezeigt werden würde. Mehr als achtzig der Gemälde waren bereits auf dem Weg nach Schottland. Das Dutzend, das in der Clarion restauriert worden war, sollte ihnen in Kürze folgen.
    Â»Doch vorher«, schloss Montignac, »werden sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein.«
    Gareth fand, es klang überzeugend. Ihm gefiel der Nervenkitzel, den ihm die Teilnahme an einer verbotenen Tat verschaffte, und noch mehr die Aussicht auf die tausend Pfund, die Montignac ihm versprochen hatte, wenn alles glattlief. Er wusste nicht, dass sein Chef für sich fünfzehn Mal so viel ausgehandelt hatte. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es Viertel nach sechs war. Wenn alles gut ging, würden sie die erste Hälfte der Rahmen an diesem Abend fertigstellen und die zweite am folgenden Abend, was bedeutete, dass es für den nächsten großen Schritt nur noch den dritten und letzten Abend gab.
    Gareth stand auf und streckte sich, vom langen Bücken tat ihm der Rücken weh. Er begutachtete den gerade fertiggestellten Rahmen, der für die Grandes Baigneuses vorgesehen war. Die Rahmen zu bauen hatte ihm Spaß gemacht, sodass er sich fragte, ob er seine Berufung als Schreiner verfehlt hatte, doch er besann sich sogleich eines Besseren; er wusste, was sein Vater zu so einer Idee sagen würde.
    Â»Ich gehe nur mal kurz wohin«, entschuldigte er sich bei Montignac, der sich daran machte, das Holz für den vierten Rahmen abzumessen. »Und dann koche ich Tee. Möchten Sie auch eine Tasse?«
    Montignac nickte und zückte sein Maßband. Gleich darauf war er dermaßen in seine Arbeit vertieft, dass er weder mitbekam, dass Parsons sich unten zum Aufbruch bereitmachte, noch, dass er mit einer jungen Frau sprach, die er vor dem Abschließen der Vordertür

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