Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
gutheißen.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Ich spreche davon, dass er Sie hier alleine zurücklässt, Mary, obwohl Sie jederzeit wieder Zielscheibe eines Angriffs werden könnten.«
»Ihre Besorgnis ist rührend, Winston. Aber zum einen hat keiner der bisherigen Angriffe mir gegolten, und zum anderen bin ich ja nicht allein, sondern in den besten Händen.«
»Das ist sehr schmeichelhaft. Dennoch kann ich nicht verstehen, warum Quentin Sie dieser Gefahr aussetzt. Wäre ich an seiner Stelle, hätte ich Abbotsford zusammen mit Ihnen verlassen. Mehr noch, ich hätte mich längst von diesem alten Gemäuer getrennt, das Ihrer Familie doch nichts als Scherereien einzubringen scheint.«
»Wer weiß«, stimmte Mary zu, »vielleicht hätte ich das ebenfalls getan – aber nicht Sir Walter. Und Quentin ebenfalls nicht. Die Männer der Familie Scott, zu denen ich auch meinen Mann zähle, sind – wie soll ich es ausdrücken? – aus einem etwas anderen Holz geschnitzt. Ein gewisser Starrsinn ist ihnen zu Eigen, ihr Stolz und ihre Ehre gehen ihnen über alles.«
»Schön und gut«, räumte McCauley ein, »auch ich kann und darf von mir behaupten, ein Mann von Ehre zu sein. Eines jedoch würde ich niemals tun: meine Prinzipien vor die Frau stellen, die ich liebe. Vielleicht sollten Sie das Quentin sagen.«
Einen Moment lang hielt Mary dem prüfenden Blick stand, mit dem er sie bedachte, dann sah sie zu Boden.
»Ja«, erwiderte sie leise, »vielleicht sollte ich das.«
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7
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Loch Leven
Zur selben Zeit
Als Diarmid of Scrymgour das alte Steinhaus am Ufer des Loch Leven das nächste Mal betrat, hatten sich die Dinge grundlegend geändert. Bei seinem letzten Besuch auf der Insel war er davon überzeugt gewesen, einen Betrug entlarvt zu haben und das Heft des Handelns wieder in den Händen zu halten – nun hatte er das Gefühl, den Entwicklungen hinterherzulaufen, und kam sich fast wie ein Bittsteller vor.
»Nun? Haben Sie Ihre Überraschung verwunden?« Die Art und Weise, wie die Frau ihn fragte, die Stimme herausfordernd erhoben und den Blick herablassend gesenkt, zeigte deutlich, dass sie jeden Respekt vor ihm verloren hatte. Ein Teil von ihm hätte sie dafür am liebsten zur Rechenschaft gezogen, ein anderer Teil riet zur Besonnenheit.
»Wer sagt, dass ich überrascht war?«, fragte er dagegen, einmal mehr froh darüber, die Maske anbehalten zu haben, auch wenn sie womöglich jeden Sinn verloren hatte.
Brighid lachte nur. »Ich an Ihrer Stelle wäre durchaus überrascht, wenn ich erfahren würde, dass alles, wonach es mich je verlangt hat, endlich wahr werden kann.«
Scrymgour schnaubte verächtlich. »Was wissen Sie schon von den Dingen, nach denen es mich verlangt!«
»Oh, ich weiß manches über Sie, Scrymgour. Ich weiß, dass Sie bei Ihrer Familie in Ungnade gefallen und darüber verarmt sind; dass Sie der Runenbruderschaft beigetreten sind, weil Sie sich dadurch eine Rückkehr zu alter Macht und Größe erhofften; und ich weiß auch, dass Sie nach deren Zerschlagung ihr Heil in der Flucht gesucht und all die Jahre in banger Furcht vor Entdeckung verbracht haben. Nur aus einem einzigen Grund haben Sie sich entschieden, das Versteckspielen aufzugeben und die Bruderschaft neu zu formieren: Weil der Brief, den ich Ihnen geschickt habe, Ihre Neugier geweckt hat.«
»Und wenn es so wäre?«
»Es ist so«, beharrte sie. »Genau wie alle anderen Mitglieder der Bruderschaft wollen auch Sie, dass die englischen Grundbesitzer aus Schottland vertrieben werden und das Land Ihrer Ahnen endlich wieder an die schottischen Lairds fällt – und mit ihm auch alles, was es an Gewinn abwirft.«
Er stimmte ihr weder zu, noch widersprach er, doch insgeheim war er bestürzt darüber, wie genau sie seine Pläne und Motivationen durchschaute.
»Und ich, ich verkörpere diese Hoffnung, Scrymgour«, fuhr sie fort, »und weit mehr als das. Sagten Sie nicht, dass Sie ein Mann der Wirklichkeit wären? Dann hören Sie auf, Luftschlösser zu bauen und von alten Zeiten zu träumen. Ich habe nicht nur die Legitimation, sondern auch die Mittel, um Ihre Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Jener Goldschatz existiert tatsächlich, und er wartet nur darauf, gefunden und seiner ursprünglichen Verwendung zugeführt zu werden: nämlich eine echte Stewart auf den Thron von Schottland zu bringen und, wenn es das Schicksal will, auf den des gesamten Empire!«
Stille trat ein, nur das Rauschen des Regens war zu hören, der sich in
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