Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
nichts passiert.«
»Mir geht es gut«, beteuerte er. »Aber McCauley ist mir entwischt. Hat er den Verstand verloren? Was, in aller Welt, ist nur in ihn gefahren?«
»Das ist nicht die Frage«, stellte Sir Walter klar. »Vielmehr sollten wir darüber nachdenken, was er schon die ganze Zeit über im Schilde geführt hat!«
»Du meinst, er kannte diesen Mann?«, fragte Mary, auf den Leichnam deutend.
»Nicht unbedingt. Als die Tür aufging, habe ich McCauley beobachtet. Zunächst zeigte er keine Reaktion, erst als Manus uns die Karte geben wollte. Womöglich hat er ihn an irgendetwas erkannt …«
»… oder er hatte es einfach auf diesen Köcher abgesehen, was immer er enthalten mag«, wandte Quentin ein.
»Nun«, entgegnete Sir Walter, »wenn es wahr ist, was der alte Mann behauptet hat – und wir haben keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln –, dann enthält dieser Köcher die Beschreibung des Ortes, an dem ein Goldschatz verborgen ist. Wohl von beträchtlichem Wert, sonst hätte er sich kaum solche Mühe gegeben, ihn derart zu verbergen. Ein Goldschatz, der aus dem Besitz Charles Edward Stewarts stammt, wenn ich die Hinweise richtig deute.«
»Und dahinter ist McCauley her?«, fragte Mary.
»Es wäre weiß Gott nicht das erste Mal, dass Menschen aus Profitgier töten«, bekräftigte Quentin.
»Auch das ist wahr. Aber es könnte noch mehr dahinterstecken. Wisst ihr noch, was McCauley rief, ehe er schoss?«
»Ja«, erinnerte sich Mary. »Er nannte Manus einen Mörder.«
»Ganz recht«, Sir Walter nickte. »Ich frage mich, ob dies mit den vielen Verfehlungen in Zusammenhang steht, von denen Manus uns berichtete. Er sagte, dass er ein treuer Diener des Prinzen Charlie und der Familie Stewart gewesen und dass er in Culloden dabei gewesen sei.«
»In Culloden?« Quentin hob die Brauen. »Aber das ist ja eine Ewigkeit her. Demnach müsste er …«
»… weit über achtzig Jahre alt sein«, vervollständigte Sir Walter, der die Rechnung bereits gemacht zu haben schien. »Das wäre nicht ausgeschlossen. Und offenbar hat er in diesem langen Leben einige Dinge getan, die er später bereut hat.«
»Womöglich hatte Winston McCauley allen Grund, ihn zu hassen«, mutmaßte Mary.
»Darauf will ich hinaus.« Sir Walter nickte. »Und er hatte es von Beginn an auf den Schlüssel abgesehen, davon bin ich überzeugt. Nur deshalb hat McCauley eure Nähe gesucht, nur deshalb kam er nach Abbotsford. Und kein anderer als er war der nächtliche Eindringling, der sich in der Bibliothek zu schaffen gemacht hat.«
»Und Mackie Graham?«, fragte Quentin.
»War nur ein Sündenbock, dafür bezahlt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Erinnern wir uns, dass Miss Natty den Auftraggeber Mackies den ›Vornehmen‹ nannte – eine Bezeichnung, die auf McCauleys gelecktes Erscheinungsbild durchaus zutrifft.«
»Du meinst, McCauley hat ihn nach Abbotsford bestellt, nur um ihn dann kaltblütig zu erschießen?«, fragte Mary.
Sir Walter nickte. »Wir haben vorhin gesehen, dass er ohne Zögern tötet.«
»Du hattest also recht mit deiner Vermutung«, meinte Quentin. »Es war tatsächlich McCauley. Jetzt verstehe ich auch, warum du ihn in das geheime Archiv deiner Bibliothek geschickt hast!«
»Mir war klar, dass sich nur dort befinden konnte, wonach er suchte, andernfalls hätte er es längst entdeckt.«
»Das also war die Probe, auf die du ihn stellen wolltest.« Endlich begriff Quentin. »Und deshalb hast du mir auch nichts über den Stand deiner Untersuchungen mitgeteilt.«
»Ganz recht.«
»Und ich Narr fange deshalb noch Streit mit dir an«, murmelte Quentin beschämt.
»Auch ich war ein Narr, mein Junge«, versicherte Sir Walter, »denn obwohl ich gewarnt war, war ich auf dies hier nicht vorbereitet. Ich wollte McCauley dabeihaben, weil ich hoffte, dass er uns noch weitere Hinweise liefern würde – ein verhängnisvoller Irrtum. Jetzt ist ein Mensch eines gewaltsamen Todes gestorben, und McCauley hat alles, was er wollte.«
»Den Schlüssel und die Wegbeschreibung«, bestätigte Mary. »Damit haben wir die Spur wohl verloren.«
»Nicht ganz«, wandte Sir Walter ein.
»Nein?« Quentin sah ihn überrascht an.
»Eine kleine, wenn auch geringe Chance bleibt uns noch: Abbotsford.«
»Was meinst du?«
»Ist euch aufgefallen, dass sich Manus zu fürchten schien? Er sagte, dass jemand hinter dem Gold her sei, und das schon seit sehr langer Zeit.«
»Damit meinte er wohl McCauley«, vermutete
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