Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Quentin.
»Oder noch eine weitere Partei«, gab Sir Walter zu bedenken. »Denn wie wir wissen, war McCauley nicht der Einzige, der brennendes Interesse an Abbotsford zeigte …«
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12
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Loch Leven
Abend des 9. März 1826
Der Ruf war an alle ergangen, auch an jene, die bislang noch gezögert hatten und den vorausgegangenen Treffen der Runenbruderschaft ferngeblieben waren.
Wäre es nach Scrymgour gegangen, hätte er leichten Herzens auf diese Leute verzichtet. Was war die Loyalität von Männern wert, die letztlich nur auf ihr Wohl bedacht waren? Würden sie nicht beim ersten Anzeichen von Gefahr die Flucht ergreifen? Keiner dieser Feiglinge war seinem Aufruf zum Treffen an den Piktensteinen gefolgt, wie Ratten hatten sie das Tageslicht gemieden. Wozu sie also noch einmal rufen, wozu Zauderern das Gefühl geben, dass sie unbedingt gebraucht wurden? Doch Brighid Stewart hatte darauf bestanden, und so, wie sich die Dinge entwickelt hatten, war er nicht in der Position, ihr etwas abzuschlagen. Diese Frau kannte nicht nur die Antwort auf all die Fragen, die ihn die letzten vier Jahre bei Tag und Nacht gequält hatten. Sie war die Antwort.
An allen Orten, die schon zur Zeit der alten Bruderschaft genutzt worden waren, um zu den Mitgliedern Verbindung aufzunehmen, waren Nachrichten hinterlassen worden. Geheime Botschaften, in denen all jene, die einst den Runeneid geleistet hatten, dazu aufgefordert wurden, sich am Ufer des Loch Leven einzufinden.
Scrymgour hatte diesen zweiten Aufruf als Zeitverschwendung erachtet, als aussichtsloses Unterfangen – bis die ersten verlorenen Söhne am Seeufer eingetroffen waren. Und mit jedem Tag, der verstrich, waren es mehr geworden.
Die Aussicht auf Erfolg und hohen Gewinn ließ ihre Bedenken und Ängste nun offenbar doch in den Hintergrund treten, sodass schließlich fast fünfzig Runenbrüder am Loch Leven versammelt waren, so viele, wie seit Malcolm of Ruthvens Zeiten nicht mehr. Wäre Diarmid of Scrymgour der unumstrittene Anführer dieser Männer gewesen, so wäre es ein Triumph ohnegleichen gewesen. So jedoch war er sich nicht sicher, was er davon halten sollte. War er überhaupt noch das Oberhaupt der Bruderschaft? Hatte er noch die Befehlsgewalt?
Scrymgour gab sich keinen Illusionen hin. Keiner dieser Feiglinge dort draußen hatte sich seinetwegen am Treffpunkt eingefunden, sondern einzig und allein wegen der Frau, die so unvermittelt in ihrer aller Leben getreten war und die einen großen Namen trug.
»Nun, Scrymgour?«
In einen weiten Umhang mit Kapuze gehüllt, verließ sie die Hütte, in die er sie noch vor wenigen Tagen als Gefangene hatte sperren lassen, und trat neben ihn. Die Nacht hatte sich herabgesenkt, das Mondlicht brach sich glitzernd im schwarzen Wasser des Sees. Jenseits davon, am Ufer, waren Dutzende orangerot flackernde Punkte zu erkennen.
Fackeln.
»Es sind viele gekommen«, stellte sie mit unüberhörbarer Genugtuung fest.
»Ja, Hoheit«, kam Scrymgour nicht umhin zu bestätigen. Sie stutzte einen Moment, wie immer, wenn er sie so nannte, ließ ihn aber gewähren. »Sie hatten recht. Die Anhänger der Bruderschaft sind erschienen, um der rechtmäßigen Thronerbin zu huldigen.«
Sie lachte auf. »Erwarten Sie, dass ich das glaube? Halten Sie mich wirklich für so naiv, Scrymgour? Glauben Sie, ich wüsste nicht, dass Sie und Ihre Anhänger es vor allem darauf abgesehen haben, sich zu bereichern? Dass es Ihnen in erster Linie um Reichtum und Macht geht??«
Einmal mehr fühlte Scrymgour sich überrumpelt und vor den Kopf gestoßen. Jedesmal, wenn er glaubte, einen Weg gefunden zu haben, wie er mit ihr umgehen konnte, entzog sie sich jeder Kontrolle.
»Ich bin keine eitle Närrin, Scrymgour«, stellte sie klar. »Ich erwarte nicht, dass Sie und Ihre Leute mich wie einen Götzen verehren. Wir brauchen einander, das ist alles. Ohne meinen Namen und meine Kenntnisse haben Sie keine Aussicht, Ihre Pläne jemals zu verwirklichen. Und ohne die Hilfe der Bruderschaft komme ich nicht an den Schatz. Das mag uns beiden nicht gefallen, aber so ist es nun einmal.«
»In der Tat«, bestätigte Scrymgour nur.
»Also lassen Sie uns gehen«, verkündete sie entschlossen und ging voraus zum Ufer, wo der Kahn bereits wartete. Wortlos stiegen sie ein, und die beiden Runenbrüder, die dort gewartet hatten, zur Unkenntlichkeit vermummt wie Scrymgour selbst, stießen den Nachen vom Ufer ab und brachten ihn mit raschen Ruderschlägen über den See.
Während
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