Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Scrymgour schon offenbart hatte: Sie zeigte ihnen den Ring, der aus dem Besitz ihres Vaters stammte, nannte ihnen das alte Losungswort und berichtete von jener schicksalhaften Nacht, in der das Gold des Franzosenkönigs gestohlen worden war und die Hoffnungen des jungen Prinzen Charlie ein jähes Ende gefunden hatten. Und sie sagte auch, dass sie das Versteck des Goldes kenne – und damit der Schlüssel zu allem wäre, wonach sich die Mitglieder der Runenbruderschaft seit deren Gründung sehnten.
Freiheit von englischer Willkür.
Wiederherstellung der alten Adelsmacht.
Besitz von Land und Gütern.
Überzeugt jedoch schienen sie noch immer nicht zu sein. »Und dieser riesige Goldschatz«, verlangte einer der Zauderer zu wissen, »wo genau befindet er sich?«
»Schon in Kürze«, gab Brighid zur Antwort, »werde ich es erfahren. Denn zur Monatsmitte habe ich mich an einem geheimem Treffpunkt einzufinden, wo man mir die genaue Lage des Schatzes mitteilen wird. Und dann«, versprach sie, wobei sie in einer ebenso schlichten wie eindrucksvollen Geste die Faust ballte, »wird eine Revolution beginnen, deren Auswirkungen man bis ins ferne London spüren wird!«
Einen Moment lang blieb es still. Dann jedoch erhob sich ein einzelner Ruf:
»Runen und Blut!«, schrie einer von ihnen und stieß die geballte Rechte in den nachtschwarzen Himmel, und die übrigen Mitglieder der Bruderschaft taten es ihm gleich.
Zunächst noch verhalten, dann in immer größerer Anzahl, taten sie ihre Zustimmung kund, erneuerten ihren Eid und bezeugten ihre Gefolgschaft zu jener Frau, die vor ihnen stand und nach Monaten und Jahren der Furcht, des Niedergangs und der Verzweiflung neue Hoffnung versprach. Wieder und wieder erklang der Wahlspruch der Bruderschaft, scholl durch die Nacht und über den See, wo er sich in funkelnder Schwärze verlor.
Diarmid of Scrymgour konnte nicht anders, als unter seiner Maske triumphierend zu grinsen.
Es war das gleiche begehrliche Grinsen, das er auch in Brighid Stewarts Zügen sah.
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13
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Canongate, Edinburgh
Zur selben Zeit
»Sie sind also endlich zur Vernunft gekommen?«
Milton Chamberlain ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich in der überlegenen Position wähnte. Seit dem Augenblick, da Quentin den Fuß über die Schwelle seines Büros in Edinburgh gesetzt hatte, gab er ihm das Gefühl, ein Bittsteller und mehr geduldet als willkommen zu sein.
Fraglos gehörte dies zu seiner Taktik.
Und es war wirkungsvoll.
»Ich bin die ganze Zeit über vernünftig gewesen, Sir«, widersprach Quentin und gab sich Mühe, dabei möglichst überzeugt zu klingen.
»Das ist Ansichtssache.« Chamberlain saß hinter einem fein gearbeiteten Schreibtisch aus Mahagoni, die Arme vor der Brust verschränkt und an einer Zigarre saugend, die er sich demonstrativ angesteckt hatte. »Haben Sie die Bücher nun also sämtlich durchgesehen?«
»Ja, Sir, das habe ich.«
»Und endlich eingesehen, wie aussichtslos die finanzielle Situation der Familie Scott ist«, folgerte Chamberlain weiter, dabei genüsslich paffend. »Und jetzt wollen Sie mich bitten, Ihnen das alte Gemäuer abzukaufen.«
»Nun, äh … nein, Sir«, widersprach Quentin kopfschüttelnd.
»Was soll das heißen?« Der Anwalt beugte sich zu ihm vor, die Zigarre blieb achtlos in seinem Mundwinkel zurück.
»Das soll heißen«, erklärte Quentin, »dass gewisse … Veränderungen eingetreten sind, die mich zu der Hoffnung berechtigen, dass wir den Schritt der Liquidierung nicht gehen müssen. Möglicherweise gibt es einen Weg, das Privatvermögen meines Onkels zu erhalten und die von Ihnen vertretenen Gläubiger dennoch auszubezahlen.«
»Unsinn!«, rief Chamberlain, aber es klang mehr nach einer Frage denn nach einer Feststellung. Wenn es Quentin darauf angelegt hatte, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Anwalts zu bekommen – nun hatte er sie.
»Alles, was ich dazu brauche«, beeilte er sich zu erklären, »ist noch ein wenig Zeit.«
»Sie hatten Zeit, Mr. Hay. Mehr als genug.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, versicherte Quentin, wobei er abwehrend die Hände hob, »und ich weiß auch, dass ich sowohl Ihre Geduld als auch die der von Ihnen vertretenen Gentlemen bereits auf ein Höchstmaß strapaziert habe.«
»Dem ist nichts hinzuzufügen.«
»Dennoch glaube ich, dass wir dieses Geschäft noch immer zu beiderseitigem Vorteil gestalten können, wenn wir die Modalitäten ein wenig verändern.«
»Was denn?« Chamberlain
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