Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
und da sowohl Charles Edward als auch seine Tochter Charlotte inzwischen verstorben waren …«
»… hat das Gold bis heute auf seine Entdeckung gewartet«, brachte Quentin den Satz zu Ende.
»In der Tat. Bedauerlicherweise waren wir nicht die Ersten, die es gefunden haben.«
»McCauley«, ächzte Quentin, der den Schurken tatsächlich für einen Moment vergessen hatte. »Wohin ist er verschwunden?«
»Ist euch etwas aufgefallen?« Sir Walter hielt den verkohlten Stumpf der Fackel hoch. Sie war in dem Moment erloschen, als er den Wasserfall passiert hatte, dennoch war es in dem Gewölbe nicht vollständig dunkel. Gedämpfter, rötlicher Schein beleuchtete es, wie von einem Feuer ohne Flammen.
»Das ist das Licht der Dämmerung«, stellte Mary fest und deutete zur anderen Seite der Höhle. »Es kommt aus diesem Felsspalt!«
Sir Walter nickte. »Dann ist das wohl der Weg, den McCauley genommen hat.«
Erneut endete der Weg, diesmal jedoch nicht vor einem Wasserfall, sondern buchstäblich im Nichts.
Sie waren dem Höhlengang gefolgt, der sich an das Schatzversteck anschloss, dem Licht entgegen, das vom Ende hereindrang, und dem Geruch von Salz und Tang – und standen nun vor dem Ende des Stollens, der sich zur Seeseite hin öffnete, in schwindelerregender Höhe. Vor ihnen lag die schimmernde See, über die der raue Ostwind peitschte, darüber türmten sich Wolkenberge, die vom letzten Licht des Tages blutrot gefärbt wurden. Ein Bild des Friedens – wäre da nicht der Kampflärm gewesen, der von der Burg herabdrang, das Krachen von Schüssen und das Geklirr von Säbeln, und immer wieder die Schreie der Verwundeten und Sterbenden.
»Was geht dort oben vor sich?«, fragte Scrymgour, der sich keinen Reim auf all das machen konnte. Hätte er zu entscheiden gehabt, wären sie zurückgegangen, um seinen Leuten zu Hilfe zu kommen. McCauley und Brighid jedoch hatten darauf bestanden, den anderen Gang zu nehmen und das Gold, das sie an sich gerafft hatten, in Sicherheit zu bringen. Und da er ihnen nicht traute, war er ihnen gefolgt.
An die Mündung des Ganges, die von der Seeseite aus betrachtet wie eine zufällige Höhlung im Fels wirken mochte, schloss sich ein schmaler Pfad an, der an der fast senkrecht abfallenden Felswand entlang nach oben führte, wiederum so unscheinbar, dass er dem unbedarften Betrachter nicht auffiel.
»Dieser Pfad führt um den Burgfelsen herum«, stellte McCauley fest. »Auf diese Weise werden wir ihnen entkommen.«
»Wem?« Scrymgour starrte die beiden verständnislos an.
»Den königlichen Dragonern«, eröffnete McCauley ungerührt, während erneut Schüsse fielen. »Ihre Leute haben bereits ihre Bekanntschaft gemacht.«
»Königliche Dragoner?«, echote Scrymgour.
»Chamberlain hat sie alarmiert. Ihre Kundschafter sind uns gefolgt, die ganze Zeit über.«
»Sie … Sie wussten davon?« Scrymgour sah Brighid an, erwartete, dass auch sie sich entrüsten würde – aber zu seiner Bestürzung blieb die Miene der letzten Stewart völlig unbewegt. »Was hat das zu bedeuten, Hoheit?« Eine böse Ahnung kroch aus seinen Eingeweiden empor. Die Goldbarren, die er sich auf die Arme geladen hatte, schienen plötzlich doppelt schwer zu wiegen.
»Dass Sie und Ihre Leute nur ein Werkzeug gewesen sind«, beschied sie ihn und bestätigte damit seine Befürchtungen. »Ein Mittel zum Zweck.«
»Zu welchem Zweck?«, ächzte er. »Sagten Sie nicht, dass Sie die Bruderschaft brauchen, um Ihre Ziele zu erreichen?«
»So ist es auch. Nur sind Sie bezüglich dieser Ziele einem folgenschweren Urteil erlegen. Ginge es mir tatsächlich darum, einen blutigen Aufstand vom Zaun zu brechen und den Thron zu besteigen, wäre Ihre beklagenswerte Ansammlung von Sektierern und Verschwörern vermutlich die richtige Wahl. Aber das will ich nicht.«
»Nein?« Scrymgour hatte das Gefühl, einen Albtraum zu durchleben. Seine Arme sanken herab, einige Goldbarren lösten sich und fielen mit profanem Klicken zu Boden. »Dann sind Sie also eine Betrügerin«, stellte er fest. »Sie haben uns alle getäuscht. Sie sind keine Stewart!«
»Das, Scrymgour, ist das Tragische daran«, beschied sie ihn, und es klang, als würde sie ein gewisses Bedauern verspüren. »Ich bin eine Stewart, das schwöre ich beim Blut meiner Mutter. Aber ich habe nicht vor, das Schicksal meines Vaters zu erleiden. Sein Leben lang war er von Intriganten und Speichelleckern Ihres Schlages umgeben, Scrymgour, die letztlich nur ihren eigenen
Weitere Kostenlose Bücher