Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
üben. Rache für all das, was er der Bruderschaft angetan hatte! Den Säbel zum tödlichen Streich erhoben und einen wilden Kampfschrei auf den Lippen, setzte er heran.
Quentin feuerte.
Doch statt eines lauten Knalls war nur ein leeres Klicken zu vernehmen, als der Hahn auf die Zündpfanne traf – das Pulver war beim Durchschreiten des Wasserfalls nass geworden!
Im nächsten Moment war der Angreifer bereits heran, und Quentin tat das Einzige, was ihm in seiner Not einfiel. Er nahm die Pistole kurzerhand bei ihrem Doppellauf und schleuderte sie dem Sektierer entgegen. Der wuchtige, metallverstärkte Holzgriff traf den Mann an der Schläfe und brachte seinen Angriff zu einem jähen Halt. Beherzt sprang Quentin auf ihn zu und entrang ihm den Säbel, dann setzte ein erbittertes Handgemenge ein, bei dem der Runenbruder die Oberhand zu gewinnen drohte.
Schon hatte er seine Hände an Quentins Hals und drückte erbarmungslos zu, während sie beide einen bizarren Tanz vollführten und dabei dem Abgrund gefährlich nahe kamen. Eisig kalter Wind fegte herauf und erfasste die Kämpfenden, drohte sie in die Tiefe zu reißen. Verzweifelt rang Quentin nach Atem, aber sein Gegner gab nicht nach. Mit aller Kraft drückte er zu, wollte alles Leben aus ihm herauspressen …
»Quentin!«
Er hörte Marys Ruf, hörte die Angst in ihrer Stimme und die Furcht, ihn zu verlieren. Und das Wissen, dass sie ihn noch immer liebte, dass sie nach allem, was gewesen war, noch immer mit ihm zusammen sein wollte, verlieh ihm zusätzliche Kraft. Wie Schraubstöcke schlossen sich seine Fäuste um die Handgelenke seines Gegners, und tatsächlich gelang es ihm, sich aus dessen Würgegriff zu befreien. Sofort schickte er einen Fausthieb hinterher, der den Sektierer am Kinn traf und ihn einen Schritt zurücktaumeln ließ – geradewegs ins Leere.
Einen Augenblick lang ruderte er mit den Armen, was ob der schwarzen, durchnässten Robe, die er trug, einen geradezu grotesken Anblick bot, versuchte verzweifelt, das Gleichgewicht zurückzugewinnen.
Vergeblich.
Seine feuerroten Züge verzerrten sich vor Entsetzen, und ein heiserer Schrei drang aus seiner Kehle, als er rücklings in die bodenlose Tiefe kippte. Wider alle Vernunft sprang Quentin vor, die Hände helfend ausgestreckt, um den Mann vor dem Sturz in den Abgrund zu bewahren, doch es war zu spät.
Der Runenbruder verschwand kopfüber in der Tiefe. Quentin eilte an die Abbruchkante, sah ihn zerschmettert auf einem der Klippenfelsen liegen, über dem im nächsten Moment die Brandung zusammenschlug. Weiße Gischt spritzte im letzten Licht des Tages am grauen Felsen empor. Als sich das Wasser gleich darauf wieder zurückzog, war der Leichnam verschwunden.
Schaudernd trat Quentin vom Abgrund zurück. Mary eilte zu ihm und umarmte ihn. Dann wandten sie sich Brighid zu, der zu begegnen sie beide nicht erwartet hatten. Zusammengesunken kauerte sie auf dem Boden. Für die Goldbarren, die überall verstreut lagen, hatte sie keine Augen, ihre ganze Aufmerksamkeit galt McCauley, dessen Haupt sie in ihren Schoß gebettet hatte und auf den sie flehend einsprach.
»Geh nicht, Geliebter, ich bitte dich … Verlasse mich nicht, hörst du?«
Quentin und Mary wechselten Blicke. McCauley ihr Geliebter? Und wieso war ihr Englisch plötzlich flüssig und ohne jeden Akzent? Ganz offenbar hatte die Frau, die stets beteuert hatte, ihre Erinnerung verloren zu haben und nur Französisch zu sprechen, sie arglistig getäuscht. Aber aus welchem Grund? Wo war der Zusammenhang?
Die Fragen brannten Quentin auf der Zunge, aber er stellte sie nicht. Man konnte sehen, wie das Leben aus McCauley wich, ihm blieben nur noch Augenblicke.
»Geh nicht«, hauchte Brighid noch einmal.
»Tut … mir leid«, erwiderte er kaum vernehmlich. Der Blick seiner Augen war fliehend, Blut trat über seine Lippen. »Habe dich geliebt … alles für dich getan … für uns …«
»Ich weiß«, beteuerte sie.
Er nickte und versuchte etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte, angesichts des Blutes in seinem Gesicht jedoch nur bizarr wirkte. Dann verkrampfte sich seine ganze gepeinigte Gestalt, und sein Kopf fiel zur Seite.
Brighid brach in Tränen aus.
Tief gebeugt kauerte sie am Boden, den leblosen Körper des Mannes an sich pressend, den sie offenbar sehr viel besser gekannt hatte, als sie vorgegeben hatte. Quentin und Sir Walter zögerten, wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Mary war es schließlich, die sich ein Herz fasste
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