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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zu nennenden Anmut. Noch mehr faszinierten Serena jedoch seine Augen, die so klar und blau waren wie ein Frühlingsmorgen. Nichts Verwerfliches oder Anrüchiges lag darin, sondern eine Jugendlichkeit und Reinheit, die Serena überwältigte, gepaart mit einer Traurigkeit, die sofort an ihr Herz rührte. Dieser Mann, das konnte sie in diesem Augenblick ganz deutlich fühlen, meinte es gut mit ihr.
    »Da bist du ja.« Ein Lächeln dehnte die ältlichen Züge, worauf sie noch freundlicher und nahbarer wirkten. »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Was immer Ihr befehlt, Herr«, entgegnete sie und verbeugte sich halb, halb ging sie in die Knie.
    »Nenn mich nicht so«, erwiderte er. Die zugleich alten und jugendlichen Züge verzerrten sich voller Missbilligung. »Mein Name ist Charles.«
    »Aber Ihr … Ihr seid mein Herr«, wandte Serena hilflos ein.
    »Und wenn schon. Ich fühle mich dadurch alt, so unendlich alt. Als ob ich schon tot wäre.«
    »Sagt so etwas nicht, Herr!«, erwiderte Serena in ehrlichem Entsetzen. »Noch nicht einmal im Scherz!«
    Der Herzog lächelte. »Warum nicht?«, fragte er. »Hast du Angst, das Schicksal könnte mich bestrafen? Es hat mich bereits bestraft, mein Kind, und zwar mit aller Härte«, versicherte er, und wieder glaubte sie in seinem Blick jene Traurigkeit auszumachen, die ihr vorhin schon aufgefallen war.
    »Was ist Euch, Herr?«, fragte sie. »Eure Tochter sagte, Ihr wärt krank …«
    »Krank«, echote er, ohne dass zu erkennen gewesen wäre, was er damit sagen wollte. »Immerhin – hier ist Medizin«, meinte er daraufhin und hob den Becher, den er in seiner Rechten hielt. »Hast du schon einmal echten Rotwein gekostet, mein Kind? Château Haut-Brion vom besten Jahrgang?«
    »N-nein.« Serena schüttelte den Kopf.
    »Dann komm näher und trink«, forderte er sie auf und hielt ihr den Becher entgegen. An seiner Hand glänzten kunstvoll gearbeitete Ringe.
    Serena stand noch immer auf der Schwelle. So freundlich ihr die Aufforderung erschien und so wohlwollend sie gemeint sein mochte – aus dem Dunkel ihrer Erinnerungen erhob sich eine Stimme, die ihr zur Vorsicht riet.
    Der Herzog bemerkte ihr Zögern. »Worauf wartest du?«, fragte er. »Hab keine Angst. Es ist niemand hier. Niemand außer dir und mir.«
    Serena biss sich auf die Lippen.
    Sollte sie ihrem Dienstherrn, ihrem Wohltäter und Gönner sagen, dass es genau das war, was sie fürchtete?
    Nein.
    Zaghaft setzte sie einen Fuß vor den anderen, näherte sich dem Mann in seinem Sessel.
    »Näher«, verlangte er, während er sie auffordernd ansah und ihr weiter den Becher mit dem Wein entgegenstreckte. »Noch näher …«



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    1
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    Leith, Edinburgh Harbour
24. Februar 1826
    An einem Freitagmorgen lief die Fairy Fay im Hafen von Leith ein, nachdem sie zwei Tage zuvor Plymouth angelaufen und einen Teil der Ladung bereits gelöscht hatte.
    Der Rest der Überfahrt war ohne Zwischenfälle verlaufen; ein Fluch hatte das Schiff und seine Mannschaft nicht verfolgt, gleichwohl hatte der Tod Kapitän McCabes einen Schatten auf die Passage geworfen, und Quentin und die anderen Reisenden mussten es sich gefallen lassen, dass sie von den Matrosen mit argwöhnischen Blicken beäugt wurden, allen voran von dem abergläubischen O’Leary, der bis zum Einlaufen im Hafen davon überzeugt war, dass doch noch ein Unglück das Schiff ereilen und auf den dunklen Grund der See schicken werde. Entsprechend erleichtert waren Passagiere und Matrosen, als sich die Überfahrt nach 35 Tagen auf See endlich dem Ende näherte.
    Auf dem Achterdeck stehend, verfolgten Quentin, Mary, McCauley und die geheimnisvolle Brighid, wie das Schiff am Kai festmachte. Leinen wurden geworfen und verzurrt und eine Planke ausgebracht, über die ein Inspekteur der Zollbehörde an Bord kam. Pine händigte ihm die Frachtpapiere aus und klärte die Formalitäten. Dass der eigentliche Kapitän des Schiffes während der Überfahrt den Freitod gesucht hatte, ließ er dabei jedoch unerwähnt. Niemand – weder Passagiere noch Mannschaft – war erpicht darauf, dass ein Rudel Constables an Bord kam, um festzustellen, was bereits festgestellt worden war. McCabe war auf See beigesetzt worden, wie es sein Wunsch gewesen war, und so schrecklich der Zwischenfall gewesen sein mochte, niemand wollte deshalb noch einige Tage länger an Bord bleiben.
    Auch der Zollbeamte schien es an diesem Morgen eilig zu haben. Er überprüfte die Fracht nur flüchtig, dann war er bereits

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