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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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schwierig genug – wäre es nicht um ein engelsgleiches Wesen deines Schlages gegangen, so wäre ich heute wohl nicht hier.«
    »Ich verstehe, Herr«, behauptete Serena, nur um irgendetwas zu sagen. In Wahrheit hatte sie kaum etwas begriffen.
    »Würdest du mich ebenfalls beschützen, Kind?«, fragte der Herzog und sah sie durchdringend an. »Wäre ich bei dir sicher? Würdest du mich ebenso furchtlos verteidigen wie meine geliebte Flora?«
    »Natürlich, Herr«, entgegnete Serena. Selbst ihrem vom Alkohol getrübten Geist war klar, dass der Herzog keine andere Antwort hätte gelten lassen. Unruhe schien plötzlich von ihm Besitz ergriffen zu haben, sein Blick war angstvoll und getrieben, während er sie durchdringend ansah.
    »Ich glaube dir«, erwiderte er schließlich, und sie wusste nicht, ob sie Mitleid oder Zuneigung empfinden sollte.
    »Kennst du das Gefühl, am liebsten fliehen zu wollen?«, fragte er. »An einen weit entfernten Ort?«
    »Oh, ja.« Sie nickte und hatte plötzlich das Gefühl, ihm ebenfalls etwas anvertrauen zu müssen. Es schien ihr nur fair, jedenfalls im Angesicht des Weines … »Als ich noch zu Hause war, in Pistoia, woher ich stamme …«
    »Ja?«, hakte er nach und sah sie forschend an. Sein Blick, so kam es ihr vor, reichte bis auf den Grund ihrer Seele.
    »Nach dem Tod meiner Mutter nahm mich mein Onkel in sein Haus auf«, berichtete Serena leise. Sie fürchtete sich davor, diese Dinge auszusprechen, hatte es noch niemals getan, und doch wollte sie es, weil sie fühlte, dass sie sich diesem Mann anvertrauen, dass sie ihm alles mitteilen konnte. »Anfangs ist er sehr großzügig gewesen. Er nahm mich in seine Familie auf, gab mir zu essen und ein Dach über dem Kopf, doch schon bald wurde mir klar, dass … dass …« Sie verstummte, suchte nach Worten, die weniger schmerzhaft waren. »Mein Onkel ist kein guter Mensch«, eröffnete sie schließlich.
    »Was ist geschehen?«
    »Jeden zweiten Tag … musste ich in den Keller gehen. Ein dunkles, feuchtes Loch, wo er bereits auf mich wartete. Ich erinnere mich noch ganz genau an sein Gesicht«, fuhr Serena flüsternd fort, während die feisten Züge ihres Onkels tatsächlich aus dem Dunkel ihrer Erinnerung auftauchten, »an sein Grinsen, als er mich aufforderte, mich auszuziehen. Er hatte einen Stock, mit dem er mich züchtigte. Er sagte, das müsse er tun, weil er meinetwegen Gefahr laufe, sein Eheversprechen zu brechen. Und am Ende musste ich vor ihm auf die Knie gehen und ihn um Verzeihung bitten. Und dann zwang er mich, ihn … ihm …«
    Die Stimme versagte ihr.
    Abscheu erfüllte sie, Abscheu über das, was sie so lange getan hatte, schweigend und ohne Widerstand, weil sie geglaubt hatte, es wäre rechtens so. Erst als sie irgendwann ihr Schweigen gebrochen und Don Alfredo davon erzählt hatte, hatte ihr Leiden geendet. Serena hatte das Haus ihres Onkels verlassen und war in die große Stadt gezogen. Ihr Onkel jedoch lebte noch immer auf dem kleinen Gehöft, das er sein Eigen nannte, ein geachtetes Mitglied der Dorfgemeinschaft.
    »Ich verstehe«, brach der Herzog irgendwann das Schweigen, und es kam Serena wie eine Erlösung vor. »Also sind wir wohl beide auf der Flucht, nicht wahr?«
    Sie nickte und konnte nicht verhindern, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten, und als er in einer väterlich wirkenden Geste die Arme ausbreitete, stürzte sie an seine Brust und weinte hemmungslos, dankbar dafür, eine verwandte Seele gefunden zu haben. Eine endlos scheinende Weile lagen sie einander so in den Armen, spendeten sich Trost und Nähe.
    Und nur der Diener Manus, den sein Herr beauftragt hatte, vor dem Empfangszimmer zu wachen, war stummer Zeuge.

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    3
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    Unbekannter Ort
26. Februar 1826
    Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit versammelte sich die Bruderschaft an den Piktensteinen – und Scrymgour hatte das untrügliche Gefühl, dass die Widerstände, gegen die er ankämpfen musste, geringer wurden.
    Noch immer schlug ihm aus den verhüllten Gesichtern einiger Mitbrüder pure Furcht entgegen. Doch aus den Sehschlitzen einiger Masken begann auch schon wieder unverhohlene Gier zu blitzen. Und Gier, das hatte Malcolm of Ruthven ihn gelehrt, war ein mächtiger Verbündeter, wenn es darum ging, andere Menschen in seinem Sinne zu beeinflussen.
    »Als wir uns das letzte Mal trafen, waren deine Worte voller Rätsel und Andeutungen«, sagte ein Mitbruder, dessen Figur untersetzt war und dessen Maske die Züge eines Fuchses

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