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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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höflich Haupt und Knie beugte. »Und wie weiter?«
    »Das wissen wir nicht«, erwiderte Mary wahrheitsgemäß. »Die Arme hat ihre Erinnerung verloren. Weder weiß sie, wer sie ist, noch, wie sie auf das Schiff gekommen ist. Auch beherrscht sie unsere Sprache nicht, sondern spricht nur Französisch.«
    »Ist das wahr?«, fragte Lady Charlotte – und verfiel im nächsten Moment in ihre Muttersprache, die sie noch immer flüssig zu beherrschen schien, obwohl sie sie nur noch selten sprach. Brighid antwortete, sichtlich froh darüber, dass noch jemand ihre Sprache beherrschte, und die beiden wechselten einige Sätze.
    »Tatsächlich«, resümierte Lady Charlotte schließlich. »Das arme Ding kann sich tatsächlich an nichts erinnern, was vor ihrer Abreise aus den Kolonien geschehen ist. Wie schrecklich muss das sein, nicht zu wissen, wer man ist?«
    »Deshalb haben wir sie mitgebracht«, erklärte Quentin.
    »Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Haus der Scotts Hilfebedürftigen immer offen steht«, fügte Mary hinzu.
    »Das ist wahr, Walter hätte es sicher so gewollt«, stimmte Lady Charlotte zu. »Ganz abgesehen davon, dass das Rätsel ihrer Vergangenheit ganz unzweifelhaft seine Neugier geweckt hätte.« Ihr Blick wurde leer, und es hatte den Anschein, als würden ihre Gedanken abschweifen und sich in der Vergangenheit verlieren.
    »Tante Charlotte«, sagte Quentin und berührte sie sanft am Arm. »Bist du …?«
    »Natürlich, es ist alles in Ordnung«, versicherte sie und zwinkerte die Tränen weg. »Es ist nur … Manchmal habe ich das Gefühl, dass er noch immer hier ist, weißt du. Das alles hier«, sie machte eine Handbewegung, die nicht nur den Salon, sondern das ganze Haus einschloss, »atmet aus jeder Pore seinen Geist. Es ist nicht leicht, seinen Tod zu akzeptieren, wenn man immerzu das Gefühl hat, dass er noch hier ist.«
    »Ich weiß«, versicherte Quentin.
    »So«, sagte Lady Charlotte und klatschte in die Hände, als wollte sie sich selbst aus ihrem Dämmerzustand reißen, »aber nun freuen wir uns erst einmal darüber, dass ihr beide wohlbehalten in eurer alten Heimat angekommen seid und sogar noch einen lieben Gast mitgebracht habt. Wir werden dies bei einer kleinen Feier im Familienkreis würdig begehen.«
    »Aber nein, Tante Charlotte«, wandte Quentin ein, »bitte bemühe dich nicht. Wir wollen auf keinen Fall zur Last …«
    »Das tut ihr nicht«, entgegnete Lady Charlotte prompt und so endgültig, dass jeder Widerspruch von vornherein aussichtslos schien. »Wir hatten in letzter Zeit nicht sehr viel Anlass zur Freude. Wenn es also einmal ein Ereignis gibt, für das wir von Herzen dankbar sein dürfen, so lass es uns auch begehen.«
    »Natürlich, Tante«, sagte Quentin und errötete ein wenig. »Bitte verzeih.«
    »Wir werden zusammen speisen, und ihr beide werdet erzählen, wie es euch seit eurer Abreise aus Schottland ergangen ist.«
    Quentin und Mary tauschten einen Blick. Er konnte sehen, wie sie kaum merklich den Kopf schüttelte.
    »Natürlich, Tante Charlotte«, erklärte er. »Wir werden gerne berichten.«
    Den Nachmittag verbrachte Quentin damit, sich in die umfassenden Unterlagen einzulesen, die Mortimer Kerr, der alte Verwalter des Scottschen Anwesens auf Abbotsford, für ihn zusammengestellt hatte. Schon als Quentin die Heimat verließ, war Kerr ein Greis gewesen, und die vergangenen Jahre hatten ihn nicht jünger werden lassen; um so rührender war es zu sehen, mit welcher Hingabe der ergraute Verwalter über Sir Walters Landsitz wachte und mit welcher Akribie er jede Ausgabe und jede Einnahme in den Büchern vermerkt hatte.
    Mary und Brighid unternahmen unterdessen einen Spaziergang die High Street hinauf bis zur Burg. Sir Walters ältester Sohn, der den Vornamen seines Vaters trug, hatte sich erboten, die beiden Damen zu führen, und die Art und Weise, wie er Brighid immer wieder mit verstohlenen Blicken bedachte, ließ vermuten, dass er es nicht aus reiner Selbstlosigkeit tat. Quentin vermochte nicht in Worte zu fassen, woran genau es lag, aber es war unbestritten, dass die Frau, die auf so geheimnisvolle Weise in ihr Leben getreten war, eine starke Faszination auf das männliche Geschlecht ausübte.
    Als das Tageslicht verblasste und die Gasbeleuchtung im Haus angestellt wurde, beendete Quentin die Arbeit – nicht so sehr, weil er fürchtete, sich die Augen bei der spärlichen Beleuchtung zu ruinieren, sondern weil er es in dem kleinen, holzgetäfelten

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